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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 5

Liebe Leser:innen,

dass es dann doch so schnell gehen würde, hätte Jeff Bezos sicher nicht gedacht, als er Ende der Neunziger Jahre, nur mit einer Ausgabe von "Der Data Becker Führer, HTML & XML" bewaffnet, die erste Version von amazon.com ins World Wide Web stellte. Ein altes Mantra von Winston Churchill – für die Jüngeren: Churchill war so eine Art englischer Helmut Schmidt, er fehlt – lautet: "Erfolg heißt, immer einmal mehr aufstehen, als man hinfällt". Leider hat sich Bezos nun wohl endgültig dazu entschlossen, liegen zu bleiben. Aus der glänzenden Corona-Vorlage der Politik, so gut wie jedes Geschäft in den deutschen Innenstädten monatelang zu schließen, konnten Bezos und sein Team gerade einmal das mickrige Quartalsumsatzplus von 125 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. Am Ende kam Bezos eigentlich nur noch seiner Entlassung zuvor und zog sich mit dem letzten verbliebenen Anstand vom Amazon-Chefposten zurück. Bitter, aber unausweichlich.

Nun sind Buchhändler per so oft ziemlich schräge Typen: Utopische Vorstellungen vom Leben an sich verquicken sich mit einem gewissen Hang zur Faulheit und nervtötendem Besserwissentum. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für ein multinationales Startup mit 1,3 Millionen Mitarbeiter:innen weltweit. Denn bei aller Liebe zum gedruckten Buch: Das Prinzip Hoffnung ist noch kein Marketingplan und Reinhold Messner ist sicher auch nicht den Nanga Parbat hinaufgefallen. Aus dem Umfeld des sympathischen Glatzkopfs aus Seattle gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Berichte über Mindset-Probleme beim Personal: Mit schöner Regelmäßigkeit kündigte alle paar Wochen irgendein Spinner in einem der vielen Amazon-Standorte weltweit an, jetzt aber wirklich mal eine Gewerkschaft zu gründen. Bezos kam zum Schluss mit dem Entlassen gar nicht mehr nach. Vielleicht auch aus Enttäuschung darüber, dass seine Angestellten den geilen Spirit der Gründungszeit aus den Neunziger Jahren ("Einfach mit ein paar Kumpels was Geiles miteinander aufzubauen!") nicht mehr fühlten. Aus der sozialen Hängematte lässt sich jedoch die klassische Buchbranche nur schwerlich disrupten, da brauchst du echte Löwen, die auch mal ein paar Monate auf Gehalt verzichten können, wenn es der größeren Sache dient. In Deutschland lief die Situation zuletzt deutlich aus dem Ruder, wo in Meckenheim und Niederkrüchten ganze Container-Ladungen von Amazon-Paketen in Waldgebieten gefunden wurden, die Paketfahrer:innen dort entsorgt hatten, um daheim in Ruhe den ganzen Tag über Clubhouse-Panels lauschen zu können.

Auch die neuen Geschäftsfelder fluppten nicht so, wie sie sollten. So las sich beispielsweise das Comedy-Angebot des Streamingdienstes "Amazon Prime" zuletzt wie die Nachtprogrammierung von Sat.1 GOLD: "Two and a half men", "Türkisch für Anfänger" und "Chris Tall Presents …" – Wer das lustig findet, teilt auch Sharepics zum bedingungslosen Grundeinkommen in seiner Whatsapp-Story. Kaufkraft sieht leider anders aus. Vielleicht auch, um vom Streaming-Desaster abzulenken, stellte Bezos dann 2019 plötzlich völlig überraschend seine Mondlandefähre "Blue Moon" vor. Als das Unternehmen jedoch im selben Jahr zugeben musste, entgegen aller Beteuerungen doch zumindest ein paar Euro Steuern an die deutschen Finanzämter zu überweisen, war Bezos für die Amazon-Aktionäre eigentlich nicht mehr zu halten.

Innerlich schon gekündigt, nahm Jeff dann noch ein letztes Mal das Weihnachtsgeschäft mit, das ihm immer am liebsten wahr: Leuchtende Kinderaugen, ansonsten abgebrühte Väter mit Tränen im Knopfloch. Dafür hat er den Job eigentlich gemacht, dafür hat er es damals angefangen. Doch vielleicht hat Jeff Bezos genau um diese Zeit genau wie ich auch diesen einen Instagram-Post des Vertriebs-Genies Dirk Kreuter gelesen, der dort schreibt: "Irgendwann blickt man auf das zurück, was man getan hat. Und auf das, was man hätte tun können."

Es hat nicht sollen sein, Jeff. Good night and good luck.

Dein: Dax Werner




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ja und nein, »Zoll Karriere«!

Recht hat Dein Werbeplakat in Zeiten geschlossener Grenzen sicherlich, wenn es eine junge Person abbildet und behauptet: »Wir sind die Generation Zoll«. Aber die Behauptung »Was uns ausmacht? Dass alle gleiche Chancen haben« wagen wir zu bezweifeln. Dass eben nicht alle bei der Grenzüberquerung gleich behandelt werden, ist ja im Grunde der Sinn der ganzen Kontrolliererei, oder nicht?

Stell Dir mal vor, die Generation Abfallentsorgung sagte: »Wir lassen den Müll, wo er ist«, die Generation E-Scooter definierte sich durch Zufußgehen oder die Generation »L’Amour toujours« fände nicht die Tiktok-Kanäle der Rechtsaußenparteien total brat!

Kontrolliert weiter alle Werbeplakate ganz genau:

Deine Generation Satire der Titanic

 Halt, Stromanbieter Ostrom!

Du kannst uns noch so oft auf Insta mit den vielen »reasons to join ostrom« kommen, unsere Treue gehört dem einzig wahren Rom: Westrom!

In diesem Sinne vale und semper fi von Deiner Imperialtraditionalistin Titanic

 Unzufrieden, »Deutschlandfunk Kultur«,

sind einer Deiner Instagram-Kacheln zufolge knapp 20 Prozent der Jugendlichen. Vor allem Zukunftsängste machen ihnen zu schaffen. Als serviceorientierter Wohlfühlsender hast Du aber direkt eine praktische Lösung parat, wie den jungen Leuten geholfen werden könnte. Und zwar, indem man ihnen in der Schule sogenannte Selbstregulationskompetenzen beibringe. Gut geeignet seien demnach zum Beispiel Yoga und Atemübungen.

Die aufkommende Panik einfach wegmeditieren? Zugegeben: Bei der Hilflosigkeit, die beim Gedanken an Verarmung, Klimakatastrophe und Faschismus aufkommt, keine abwegige Idee. Trotzdem schiene uns »Selbstregulation« ein irgendwie spaßigeres Konzept zu sein, wenn Du, Deutschlandfunk, es den Jugendlichen anhand der Konten von Milliardär/innen oder anhand leerstehender Luxuslofts beibrächtest!

Deine Revoluzzerkids von Titanic

 Na, lange nichts von Ihnen gehört, Seehofer, Sie alte Schabracke!

Na, lange nichts von Ihnen gehört, Seehofer, Sie alte Schabracke!

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung geben Sie Ihrer ehemaligen Chefin eine Mitschuld am Erfolg der AfD: »Ich finde, dass Angela Merkel sich keinen Zacken aus der Krone brechen würde, wenn sie mal erklärt: In der Migrationsfrage habe ich nicht jeden Tag richtig gelegen.« Nein, verkündeten Sie außerdem generös, Sie hätten »keine Triumphgefühle« ihr gegenüber, nur weil jetzt in der Flüchtlingspolitik »sehr viel von dem getan wird, was ich schon vor Jahren gefordert habe – und dafür von einigen sogar als Rechtsextremist beschimpft wurde«. Stattdessen spürten Sie nur »Genugtuung nach innen«. Natürlich: Stille, nach innen gerichtete Genugtuung posaunt man bekanntlich in die Süddeutsche … Aber wäre es nicht so oder so treffender gewesen, Sie hätten von einem »inneren Reichsparteitag« gesprochen?

Fragt Sie Ihre sprachpsychologische Praxis auf der Titanic

 Mal wieder typisch, Bundespolizei!

Du testest gerade den Einsatz von Tasern, hast Dir in einem vertraulichen Bericht aber eingestehen müssen, dass diese ihre Mannstoppwirkung oder gleich das ganze Ziel gerne mal verfehlen. Ein Grund für das Versagen der Taser ist wohl: eine »offene Softshell-Jacke«. Und das ist ja mal wieder typisch! Wer muss sich um Polizeigewalt in Taserform also keine Sorgen machen? Gutsituierte Krautwurst-Teutonen in ihren ewigen Softshell-Jacken! Komm, Bundespolizei, Rassismus kannst Du doch auch weniger auffällig, weiß aus anders gekleideter Quelle

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nachmittagstraum

Im Traum war ich der schlaue Fuchs aus der Werbung der Schwäbisch-Hall-Versicherung. Ich traf hier und da mal ein Reh oder einen Uhu. Manchmal begegnete ich Schnecken, denen ich Reihenhäuser aufschwatzen wollte. Die Schnecken gaben mir den Tipp, bei Gleichgesinnten zu akquirieren, Stichwort Fuchsbau und so, sie selber hätten ja alle schon ein Haus am Arsch. Irgendwann, so genau weiß ich es nicht mehr, traf ich wohl einen Förster, Jäger oder Waldarbeiter, dessen Bruder bei einer Bausparkasse arbeitete und der mir erzählte, die würden ein Tier für die Werbung suchen. Ich hatte dann richtiges Glück, dass Schwäbisch Hall mich genommen hat, denn der andere Fuchs, der zum Casting vor mir da war und eigentlich aufgrund seiner Schlagfertigkeit viel geeigneter gewesen wäre, hatte Gott sei Dank die Tollwut und wurde direkt, in meinem Beisein übrigens, eingeschläfert. Ich wurde dann aber direkt wach.

Uwe Becker

 Sprachchanges

Ist es Ihnen auch schon aufgefallen? Wir verwenden in der deutschen Sprache immer öfter Anglicisms.

Jürgen Miedl

 Ungenießbar

Zu Beginn der kalten Jahreszeit wird einem ja wieder überall Tee angeboten. Ich kann das Zeug einfach nicht trinken. Egal wie viel ich von dem brühheißen Wasser nachgieße, ich schaffe es einfach nicht, den Beutel im Ganzen herunterzuschlucken.

Leo Riegel

 Schattenseite des Longevity-Trends

Ob ich mit fast 60 noch mal Vater werden sollte? Puh, wenn das Kind 100 ist, bin ich schon 160!

Martin Weidauer

 Krass, krasser, Kasse

Wenn ich im Alltag mal wieder einen Kick suche, gehe ich kurz nach Feierabend oder samstags bei einem Discounter einkaufen. Finde ich dort eine richtig lange Kassenschlange vor, stelle ich mich nicht etwa an, sondern lege meine Einkäufe auf die nicht besetzte Kasse daneben. Hier beginnt der Nervenkitzel: Werde ich wie der letzte Idiot erfolglos auf die Öffnung der neuen Kasse warten oder wie ein allwissender Gott über den gewöhnlichen Einkäufern schweben? Mehr Spannung geht nicht. Anfängern rate ich allerdings, sich erst nach dem Schrillen, mit dem im Supermarkt Kollegen gerufen werden, an der leeren Kasse anzustellen. So kann man sich mit ein paar sicheren Erfolgen langsam an das freie Anstellen herantasten.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 28.10.:

    Das Schweizer Nachrichtenportal Watson preist den aktuellen Titel der Novemberausgabe im "Chat-Futter" an.

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

Titanic unterwegs
05.11.2024 Sylt, Feuerwache Tinnum Gerhard Henschel
05.11.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview«
07.11.2024 Hamburg, Centralkomitee TITANIC-Boygroup mit Gsella, Sonneborn und Schmitt