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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 48

Liebe Freund_innen,

leider fällt mir in letzter Zeit immer häufiger auf, wie sich Menschen über das Berufsbild des/der Social-Media-Manager*in lustig machen. Memes ins Internet hochladen, den El Hotzo-Sound auf mittelständische Chemieunternehmen aus dem Breisgrau runter kalibrieren und Hasskommentare von bayerischen Impfgegnern löschen, das, so die Nörgler mit ihren noch langweiligeren Bürojobs, sei doch kein richtiger Beruf, was müsse man denn dafür überhaupt studieren, Facebook oder was? Als Liebhaberei nach Feierabend gerne, echte Wertschöpfung für den Industrietanker Deutschland finde aber, so der Tenor, nach wie vor und aus gutem Grund in den tristen Industriegebieten der Republik statt.

Digital Entrepreneur, als der ich mich empfinde, sage ich hier natürlich: Weit gefehlt. Meine Einblicke in das Berufsfeld sind mannigfaltig, so erinnere ich mich noch gut daran, wie ich einmal zwei Monate lang 40 Stunden pro Woche "humorige" Texte über vegane Schokoriegel schreiben durfte und am Ende des Tages vor lauter Erschöpfung gerade noch so den Haustürschlüssel ins WG-Zimmer stecken konnte. Das Geschäft mit dem Internet ist hart und schnelllebig, echte Freunde findet man hier selten bis nie, das Credo: Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.

Also ein business, dass sich schon von der Anlage her ein bisschen so anfühlt wie Politik. Kein Wunder, dass gerade im Haifischbecken SPD die wunderbare Welt der Social-Media eine immer wichtiger Rolle spielt. Hier wurde schon lange vor der Bundestagswahl in manpower und Expertise investiert. Mit Erfolg. Andererseits könnte man auch sagen: Die Social-Media-Strategie der SPD funktioniert eigentlich nur deswegen so gut, weil die anderen Parteien keine haben. "CDU Connect", die Avantgarde-Memeschleuder der Christdemokraten auf Instagram, hat den Betrieb zum Beispiel zum 26. September eingestellt und Robert Habeck antwortet mir seit rund 12 Wochen nicht auf Instagram.

Sozialdemokratische Internetpower in action ließ sich erst diese Woche wieder bestaunen, als es den designierten Bundeskanzler Olaf Scholz gelang, Sendezeit in Joko und Klaas berühmten Primetime-Segment zu ergattern. Stark gearbeitete Platzierung! Thema: Aufruf zum Impfen, gemeinsam können wir es schaffen und so weiter. Kaum hatte Scholz seine Ansprache im raumschiffartigen Studio-Ambiente beendet und sich ganz im Geiste Helmut Schmidts (er fehlt) strammen Schrittes in Bewegung gesetzt (Message: Olaf Scholz ist im September 2021 mit dem Raumschiff in Deutschland gelandet und kümmert sich jetzt mal um die Pandemie), twitterten die Social-Media-Soldat*innen der Sozialdemokratie schon drauf los: "Wahnsinn, jeder muss sich das ansehen!", "Gänsehaut!", "Ich schäme mich meiner Tränen nicht." Ich habe ja gar nichts dagegen, von content angerührt zu sein und/oder seinen persönlichen Internetauftritt in den Dienst der größeren (lies: sozialdemokratischen) Sache zu stellen, hatte jedoch trotzdem schon um kurz vor halb 9 das Gefühl, einer generalstabsmäßig geplanten und emotional hoch aufgeladenen Olafliebe-Offensive ausgesetzt zu sein, aus der es digital kein Entrinnen gab. Und noch während ich mit dem Gedanken spielte, die einschlägigen Accounts vielleicht vorsichtshalber ganz zu blockieren, trudelten die ersten Meta-Beobachtungen aus dem Willy-Brandt-Haus ein: "Olafs erste große Rede einfach mal  bei #JKLive. Zu COVID. Emotional, glasklar und nah. Kommunikation wie man sie manchmal braucht." 2000 Favs, besser hätte es Stefan Niggemeier nicht einordnen können.

Alles geil, alles super, nur: Mir als Beobachter ist manchmal nicht mehr klar, ob ich so manchen SPD-Accounts nun als Privatperson, Parteifunktionär oder als sich selbst beim Campaigning kommentierend beobachtenden SPD-Privatfunktionär lesen muss und würde mich hier zukünftig um etwas mehr Einordnung freuen. Vielleicht ja im Modus der kommentierenden Selbstbeobachtung.

Beobachtet sich ab jetzt auch in dritter Ordnung: Dax Werner




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Augen auf, »dpa«!

»Mehrere der Hausangestellten konnten weder Lesen noch Schreiben« – jaja, mag schon sein. Aber wenn’s die Nachrichtenagenturen auch nicht können?

Kann beides: Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Mmmh, Futterparadies Frankfurt a. M.!

Du spielst in einem Feinschmecker-Ranking, das die Dichte der Michelin-Sterne-Restaurants großer Städte verglichen hat, international ganz oben mit: »Laut einer Studie des renommierten Gourmet-Magazins Chef’s Pencil teilen sich in der hessischen Metropole 77 307 Einwohner ein Sterne-Restaurant.«

Aber, mal ehrlich, Frankfurt: Sind das dann überhaupt noch echte Gourmet-Tempel für uns anspruchsvolle Genießer/innen? Wird dort wirklich noch köstlichste Haute Cuisine der allerersten Kajüte serviert?

Uns klingt das nämlich viel eher nach monströsen Werkskantinen mit übelster Massenabfertigung!

Rümpft blasiert die Nase: die Kombüsenbesatzung der Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Krasse Segregation

Wer bestimmten Gruppen zugehört, wird auf dem Wohnungsmarkt strukturell diskriminiert. Viele Alleinstehende suchen händeringend nach einer Drei- oder Vierzimmerwohnung, müssen aber feststellen: Für sie ist dieses Land ein gnadenloser Apartmentstaat, vor allem in den Großstädten!

Mark-Stefan Tietze

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Unübliche Gentrifizierung

Zu Beginn war ich sehr irritiert, als mich der Vermieter kurz vor meinem Auszug aufforderte, die Bohr- und Dübellöcher in den Wänden auf keinen Fall zu füllen bzw. zu schließen. Erst recht, als er mich zusätzlich darum bat, weitere Löcher zu bohren. Spätestens, als ein paar Tage darauf Handwerkerinnen begannen, kiloweise Holzschnitzel und Tannenzapfen auf meinen Böden zu verteilen, wurde mir jedoch klar: Aus meiner Wohnung wird ein Insektenhotel!

Ronnie Zumbühl

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster