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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 24

Liebe Freund:innen,

nach dem Abpfiff gestern Abend schnappte ich mir unseren südrussischen Owtscharka (Listenhund) und drehte eine nachdenkliche Runde um den Block, als plötzlich ein vollbesetzter Fiat Panda mit 16 festverklebten Deutschland-Fähnchen hupend an mir vorbei rauschte. Jogis Jungs hatten die Portugiesen soeben mit 4:2 im zweiten EM-Gruppenspiel (die "Hitzeschlacht von München") besiegt, zwei der vier deutschen Treffer waren portugiesische Eigentore, außerdem landete eine Taube auf dem Rasen und machte es sich dort minutenlang gemütlich.

Die Menschen im Fiat Panda waren ungefähr so alt wie ich, die Gesichter waren schwarz-rot-geil-geschminkt, sie schrien und jubelten, sie machten sich bemerkbar, einer kurbelte hastig das Beifahrerfenster herunter, um mir voller Freude "Deutschland!" entgegen zu brüllen, eine Träne kullerte seine Wange hinab und verschmierte leicht die dort drapierte Flagge, dann wurde das Gefährt immer kleiner, verschwand auf der Straße Richtung Stadtmitte, von wo ich bereits Böller und Raketen hören konnte, aber so gerade konnte ich den Heckaufkleber noch entziffern, der sich in weißen altdeutschen Lettern über das konvexe Glas bog, da steht doch wohl nicht, doch, ich lese richtig: "Santiano".

"Deutschland", wiederholte ich das eben Gehörte flüsternd. Was für ein Wort. Und dann wiederholte ich noch ein anderes Wort: "Santiano". Welch exotischer Klang von diesen drei unscheinbaren Silben ausgeht, beinahe betörend. Wenn man das Wort ganz langsam sagt, nein: buchstabiert und die Augen dabei schließt, dann kann man fast die Südsee riechen, man hört den morgendlichen Trubel der Piraten an Deck, während man selbst nach einem harten nächtlichen Kampf mit einem Seeungeheuer in der Koje versucht, ein paar Minuten Schlaf zu finden. Doch immer wieder taucht die Visage dieses feuerspeienden Ungetüms vor dem inneren Auge auf, immer wieder geht man die zurückliegende Schlacht durch, in allen Einzelheiten. Santiano? Eine Verheißung, das Versprechen, das ein anderes, ein aufregenderes Leben möglich ist. Irgendwo da draußen.

Schon morgen müssen wir alle, die Fiat-Panda-Insassen und ich, wieder auf die Maloche, zurück an die Schüppe. Die Fahrerin verschlägt es vielleicht wieder in die F&E-Abteilung von Bayer in Wuppertal, wo im Labor mit Hochdruck an neuen Medikamenten oder Düngern geforscht wird. White collar work. Der Beifahrer hingegen pendelt morgen früh möglicherweise mit dem Regionalexpress zu einem Automobilzulieferer nach Leverkusen-Quettingen, wo er sich als Mechatroniker verdingt. Parallel dazu werde ich vor dem Laptop sitzen und Deadline-Verlängerungen aushandeln.

So unterschiedlich wir auch sein mögen: Im postmodernen Durcheinander dessen, was wir Gegenwart nennen, gibt es ein paar wenige Dinge, auf die wir uns einigen können, in der wir uns als soziale Gruppe mit gemeinsamen Interessen erkennen und verbinden. Ihr fragt, welches also nun der stärkste Connector sein könnte, was denn nun die Kraft und Power hat, unterschiedlichste Menschen für einige Sekunden zusammenzubringen und Grenzen zu überwinden? Für mich ist die Antwort eindeutig: Piratenrock. Also ein Genre von Bands mit zehn und mehr Männern aus Norddeutschland, in denen seemännische Motive besungen werden.

Danke für diesen magischen Augenblick, für diese magische Nacht, lieber Fiat Panda.

Euer: Dax Werner




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Ach, welt.de!

Die Firma Samyang stellt offenbar recht pikante Instant-Ramen her. So pikant, dass Dänemark diese jetzt wegen Gesundheitsbedenken vom Markt genommen hat. Und was machst Du? Statt wie gewohnt gegen Verbotskultur und Ernährungsdiktatur zu hetzen, denunzierst Du Samyang beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, wo Du fast schon hämisch nachfragst, ob das Produkt vielleicht auch hierzulande verboten werden könne.

Das Amt sekundiert dann auch sogleich bei der Chilifeindlichkeit und zählt als angebliche »Vergiftungssymptome« auf: »brennendes Gefühl im (oberen) Magen-Darm-Trakt, Sodbrennen, Reflux bis hin zu Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Bauch- und Brustraum. Bei hohen Aufnahmemengen können zudem Kreislaufbeschwerden auftreten – beispielsweise Kaltschweißigkeit, Blutdruckveränderungen und Schwindel«. Hallo? Neun von zehn dieser »Nebenwirkungen« sind doch der erwünschte Effekt einer ordentlich scharfen Suppe! Erbrechen müssen wir höchstens bei so viel Hetze!

Feurig grüßt Titanic

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster