Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Dax Werners Debattenrückspiegel Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Dax Werners Debattenrückspiegel KW 16

Liebe Leser:innen,

im wievielten Monat des Semi-bis-Voll-Lockdowns befinden wir uns gerade? Die Älteren unter uns erinnern sich noch an die Bund-Länder-Konferenzen-Phase der Pandemie, kurz nach der Bananenbrot- und Tiger-King-Phase. Sie gaben Halt, Orientierung und ein Rest von Zeitgefühl, man konnte sich bei der Rekonstruktion der vergangenen Monate gut an diesen Phasen entlanghangeln, so wie ich als kleiner Bub meine Schuljahre den Fußball-Stars auf dem Cover der jeweiligen FIFA-Ausgabe zuordnete. Wie viele andere habe jedoch auch ich zugegebenermaßen vollkommen Überblick verloren, muss jede Woche für diese Kolumne literally ergoogeln, welche Kalenderwoche wir eigentlich schreiben und registriere lediglich sowohl eine extrem angespannte Stimmung im Internet als auch bei denen, um die es wirklich geht: Den Menschen da draußen.

So sind es vielleicht nicht die allerbesten Voraussetzungen für jede noch so durchdachte wie originelle satirische Video-Aktion, wenn Aufnahmebereitschaft und Ambiguitätstoleranz des Publikums gerade eh schon gegen Null gehen. Oder ist vielleicht exakt das Gegenteil wahr und Deutschland brauchte die #alles dichtmachen-Initiative einiger "mehr oder weniger bekannter Schauspieler:innen" (Marietta Slomka ungewohnt hämisch im "Heute-Journal") mehr denn je?

Eine Sache, in der ich mir jedenfalls ziemlich sicher bin: Wir dürfen die A-Liga-Schauspieler:innen dieses Landes, die ihre durch Schnelltests und Hygiene-Auflagen, wie etwa der verpflichtenden Nutzung von Plastikbesteck, möglich gemachten Filmdrehs gerade ziemlich einsam in ihren lichtdurchfluteten Altbauwohnungen verbringen, nicht vergessen; wir müssen uns klarmachen, was es mit diesen Menschen gemacht hat, als wir uns im letzten Jahr einige Wochen lang verabredeten, vom Balkon aus Applaus zu spenden. Jedoch nicht ihnen, den sensiblen Magier:innen der Leinwand, sondern – allen Ernstes! – dem Pflegepersonal, das im Grunde genommen einfach nur seinen Job runterspulte.

Das Öl des 21. Jahrhunderts ist bekanntlich Aufmerksamkeit und für die Menschen, die uns Woche für Woche mit immer neuen fantasievollen Folgen "Tatort", "Polizeiruf 110" und "Rosenheim Cops" versorgen, ist gerade 1973, nämlich: Ölkrise. Auch das gehört zur Wahrheit dazu und sollte im Debattenraum mitgedacht werden.

Doch in Zeiten immer engerer Meinungskorridore gilt man ja schon als "rechts", wenn man nur das schwäbische Querdenken-Krakele einiger pensionierter Lehrerehepaare aus dem Großraum Stuttgart wiederkäut und der avantgardistische Techno-Protest des Mit-Initiatoren und Filmregisseurs Dietrich Brüggemann ("Steckt Euch die Tests in den Arsch!") den Soundtrack liefert, zu dem in Berlin und Kassel Journalist:innen verprügelt werden. Debattenkultur bizarr! Dachte sich auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der sich am Freitag zu diesem Thema in die NDR-Talkshow "3 nach 9" äußerte und sich schützend vor die Missverstandenen stellte ("Diese Kritik muss möglich sein!"), während sich zeitgleich zahlreiche Schauspieler:innen genötigt sahen, ihre Videos zurückzuziehen. Diagnose: Vorauseilende Cancel Culture!

Der in meinen Augen spannendste Aspekt der Aktion ging in diesem diskursiven Wirrwarr selbstverständlich völlig unter: Dass sich nämlich Jan Josef Liefers über die neue angebliche Untertanen-Mentalität derjenigen Deutschen beschwert, die im Drosten-Brinkmann-Lauterbach-Rausch jeden noch so irren Lockdown abnicken würden, nachdem sich genau jener Liefers seit 20 Jahren als Ulk-Rechtsmediziner Boerne im Kult-Tatort Münster darum verdient macht, Polizei und staatliche Autorität vollends zu teddybärisieren. 

Aber vielleicht ist das ja Stoff für eine Kunstaktion an einem anderen Tag.

Performative Grüße: Dax Werner




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt