Dax Werners Debattenrückspiegel KW 15
Liebe Leser:innen,
es ist ein Sonntag des Innehaltens, denn ein Gigant hat Lebewohl gesagt: Prinz Philip von Griechenland und Dänemark wurde gestern in London beerdigt. Und mit ihm auch eine königliche Portion gute alte Comedy-Schule. Oder wie das ZDF teaserte: "Ein Royal deutscher Abstammung, der bei den Briten und in der Welt größte Sympathie genoss. Er punktete vor allem mit Humor, seine Sprüche sind legendär."
Noch 2002 eröffnete er ein Privat-Stand-Up für eine blinde Frau mit ihrem Blindenhund so: "Weißt du, dass es jetzt Esshunde für Magersüchtige gibt?" Ein anderes Mal fragte er einen Aborigine, ob er und seine Leute eigentlich immer noch mit Speeren nacheinander werfen würden. Der augenzwinkernde Schalk, das war seine Rolle. Pointentechnisch konnte Philipp nicht nur Florett, sondern mitunter auch Brechstange. Aber eben immer mit Herz.
Denn Prinz Philip war nicht nur der Ehemann von Queen Elisabeth II., sondern vor allen Dingen ein kultiger Spaßmacher vom alten Schlag, ein Windsor-Original, ein Witzemalocher, in letzter Konsequenz Norddeutscher. Kurz gesagt: Er war ein Fips Asmussen mit Krone. Seine Pointen waren so messerscharf wie berüchtigt, das eisglatte Parkett des europäischen Hochadels seine Bühne, auf der er sich zuletzt mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegte, tänzelte gar. Doch wie so viele andere Vertreter seiner Profession hatte auch er den besten Moment für den Abschied von eben dieser Bühne verpasst: 2015 war das und für nicht wenige Beobachter:innen damit schon ein paar Jahrzehnte zu spät.
Wie für jeden großen Komiker war auch für ihn Humor immer Fluchtversuch aus den Umständen gewesen, ein hundertjähriger Krieg mit sich selbst, gegen die Verhältnisse und Fesseln der royalen Familie, in die er eingeheiratet hatte und die mit dem Diebstahl von Reichtümern und Schätzen ihrer ehemaligen Kolonien reich geworden war – ein Umstand, der ihn Zeit seines Lebens bedrückte. Vielleicht war der Rucksack am Ende zu schwer, so dass es zum ganz großen Durchbruch dann doch nie gereicht hat.
Entsprechend wirkt sein Spätwerk dann auch konzeptueller, um nicht zu sagen: verbitterter. Ganze 16 Jahre schraubte und designte er am Land Rover Defender TD5 130, der ihn dereinst, also gestern, einmal zur letzten Ruhe fahren sollte. Ein Lebensthema ganz offenbar, jedoch eines, das sich in der heutigen beschleunigten Welt des Humors nicht mehr richtig erzählt. Wo Twitter, TikTok und Co. im Sekundentakt nach der nächsten Pointe lechzen, war der Prinzgemahl immer jemand gewesen, der sich Zeit nahm. Typisch Philip: Für die Trauerfeier in der St. George's Chapel sah das von ihm verfasste Drehbuch eine Gruppe verkleideter Männer vor, die auf fremdartigen Flöteninstrumenten exotische Melodien vortragen sollten. Auch bei den Windsors selbst konnte sich niemand einen Reim auf diesen und weitere Einfälle in Philips Verfügung zu machen, Pietät und Protokoll geboten jedoch nichts anderes als die restlose Umsetzung des letzten wahnwitzigen Willens.
Und dieser unbedingte Wille zur Ordnung, so wenig Sinn sie auch auf den ersten Blick macht, kann vielleicht auch erklären, warum mit ZDF, Phoenix und RTL gleich drei große deutsche Fernsehsender den gesamten Samstag über von der Trauerfeier streamten. Wo der erste und dann lange einzige Adlige, der einem hierzulande einfallen kann, Prinz Marcus von Anhalt heißt, ist die Sehnsucht nach etwas monarchischen Glamour, das ewig nervöse Schielen auf die übriggebliebenen europäischen Königshäuser nur allzu verständlich. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele Deutsche bei der Erwähnung des Élysée-Palastes eher an Rolf Seelmann-Eggebert als an Emmanuel Macron denken. Dementsprechend war die Stimme des ZDF-Experten Norbert Lehmann so belegt und andächtig, dass ich die Bundesliga-Konferenz auf dem Second Screen stellenweise leiser drehen musste, um ihn überhaupt zu verstehen. Gerade rechtzeitig, denn Lehmann war im Begriff, etwas juristisches Licht ins Dunkel Philips genauer Aufgabe zu Hof zu werfen: "Verfassungsrechtlich existierte er gar nicht."
Erst 1997 nahmen sie uns Diana, nun, nur 24 Jahre später, wurde der Schattenprinz Philip (99) mitten aus dem Leben gerissen. Er, der eigentlich gar nicht existierte. Vielleicht ordnete RTL-Adelsexperte Michael Begasse die Dimensionen dieser Tragödie senderübergreifend am treffendsten ein, als er in Richtung des ebenfalls sichtlich angefassten Guido Maria Kretschmer sinnierte: "Da stand ich bei der Hochzeit von Meghan, genau an dem Punkt. Schöne Erinnerungen. Aber wie du sagst, Guido: Der Tod gehört zum Leben dazu." Ein interessanter Gedanke, wie ich finde. Was hätte Prinz Philip dazu gesagt? Wir wissen es nicht. Seine letzte Pointe nahm er mit in die Familiengruft. Die Gag-Kanone aus dem Buckingham Palace ist für immer verstummt.
Und, um es mit Frauke Ludowig zu sagen: "Es ist so still, dass man die Schritte auf dem Kies hört."
Goodbye England's Rose.
Dein: Dax Werner
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