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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 12

Liebe Leser:innen,

Endlich! Bei Kilometerstein 38 des Pandemie-Marathons kämpft sich die FDP zurück auf die politische Bühne. Plötzlich scheint Jamaika im Herbst möglich, und vielleicht ja sogar schon früher mit dem Flieger. Erst ging es für die Liberalen in der Sonntagsfrage satte drei Prozentpunkte hoch, dann konnte man auch noch einen prominenten Parteineuzugang verkünden: den Eisenhüttenstädter Diskjockey Paul van Dyk! Das Signal, das hiervon ausgehen soll, ist klar: Wenn uns das Merkelregime die Mallorca-Auszeit madig macht, holen wir uns Mallorca eben nach Hause – und drücken ihm bei der Gelegenheit ein Parteibuch in die Hand.

So einen Sensationstransfer musst du natürlich medial entsprechend kommunizieren – oder, wie der Saarländer MP Tobias Hans im Tagesthemen-Interview am Donnerstag sagte (und dabei offenbar sein eigenes Medien-Briefing vorlas): "Die Menschen brauchen ein Signal, eine Erzählung, die sie glauben können." Eigentlich hatte ich es nicht mehr für möglich gehalten, dass mir metafiktionales Erzählen nach dem Grundkurs Literaturwissenschaft noch einmal irgendwo begegnen würde. Und noch weniger, dass es ausgerechnet im Saarland wieder auftaucht! Diese Pandemie ist wirklich für einige Überraschungen gut.

Zurück zu Dyk. Keinem geringeren als FDP-Parteichef Christian Lindner kam es natürlich zu, den Personal-Scoop zu vermelden: "Der große Kulturschaffende @PAULVANDYK ergreift Partei für die #Freiheit. Macht nicht nur gute Musik, sondern sagt auch kluge Dinge. Welcome! CL". Lindner verquickt das tendenziell etwas abgenutzte Attribut "groß" mit ausgerechnet der Bezeichnung, welche den DJ kulturpolitisch als Pandemie-Problemfall klassifiziert. Um es mit der Zeit zu sagen: "Foucault hätte gejuchzt." Um ordentlich Druck auf das Thema zu bekommen, flankierte man die Personalie zusätzlich mit einem großen Interview in der Tageszeitung Welt. Darin geht van Dyk mit seiner alten Liebe SPD hart ins Gericht: "Die SPD war für mich eine Partei ohne den moralisch arroganten ideologischen Vorbau, den sie jetzt vor sich herträgt." Interessant, dachte ich, habe ich so in den letzten 12 Monate gar nicht täglich auf Twitter gelesen. Fast möchte man ihm zurufen: Obacht, DJ Paul, wenn du weiter so klug und gefährlich vor dich her denkst, landest du noch mit Ralf Stegner auf der Pro-&-Contra-Seite in der Zeit! Doch der DJ hat noch lange nicht genug und dreht die Debattenregler ein paar Sätze weiter richtig auf: "Unter Schröder wurde gefordert und gefördert." Ich gebe es unumwunden zu: Sehnsuchtsvolle Erinnerungen an den Altkanzler sind natürlich Trance in meinen Ohren.

So wie Paul van Dyks Musik. Sie ist nicht einfach nur Sangria-Techno, zu dem man im Deutschland-Trikot auf dem Parookaville-Festival in Weeze mit der Polizei abkumpeln kann. Vielmehr handelt es sich hier um musikgewordene Polittheorie, sie erinnert an Aufsätze von Nils Heisterhagen, die in Songs wie "Duality" behandelten Themen und Gedanken scheinen ähnlich komplex und wegweisend wie die des letzten Intellektuellen in der SPD. Es ist der Sound, den du auf der A8 zwischen Leonberg und Sindelfingen im geleasten Audi A8 hörst und, nur Augenblicke nachdem du gerade einen Mittelständler um 150 Arbeitsplätze verschlankt hast, bei 240 Kilometern pro Stunde auf die geniale Idee kommst, in die Partei des sechsten Ministerpräsidenten von Thüringen, Thomas Kemmerich, einzutreten, weil du dir denkst: "[Die FDP] hat sich maßgeblich in den letzten sieben Jahren verändert. Sie ist bei der Freiheit geblieben, hat aber verstanden, dass eine freiheitliche, weltoffene Gesellschaft mit einer sozialen Fairness im Land verbunden werden muss. Aber selbst wenn, ich wähle doch lieber die Partei der Apotheker als eine, die sich nicht klar von Rassismus abgrenzt."

Begeistert zeigte sich auch der reichweitenstärkste Jungliberale im Internet und zwitscherte unter das Lindner-Statement "@totalreporter Lindner-Retweet, alles erreicht" (1 Retweet, 8 Favs). Viraler ging da schon seine ausgewogene Analyse zur jüngsten Bund-Länder-Konferenz Anfang der Woche: "Kein Politiker der BRD-Geschichte hat mehr Schaden angerichtet als Angela Merkel. Kein einziger. Die Alte soll sich endlich verpissen." Offenlegung: Bei so viel intellektueller Energie und politischem Stil bekomme ich auch gleich Lust, mich bei der FDP anzumelden.

Trotz aller Euphorie: Ein Wort der Mahnung sei gestattet. Denn nicht immer geht es so sachlich und faktenbasiert wie bei den Jungliberalen zu, wenn FDP und Welt gemeinsame Sache machen. Das ZDF berichtete diese Woche, dass es die angebliche Lockdown-Müdigkeit "bei den Menschen da draußen", mit der ja die Lockerungen Anfang März begründet worden waren, genau betrachtet gar nicht gab: "Im Februar konnte man den Eindruck gewinnen, eine Mehrheit in Deutschland wolle Öffnungen. 'Lockerungen jetzt', titelte 'Die Welt' am 10. Februar. Die 'Bild'-Zeitung kritisierte Panikmache, die durch die Mutation geschürt werde. Und FDP-Chef Christian Lindner fand: 'Erste Lockerungsschritte wären möglich.' Dieser Versuch, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, sei auf Lobbyarbeit der Wirtschaft zurückzuführen, sagt Matthias Jung."

Der Rotfunk mal wieder, sagen jetzt vielleicht manche. Ich würde sagen: Der Ball liegt hier ziemlich deutlich bei Angela Merkel. Auch wenn es aktuell so aussieht, dass wir Menschen wie Lindner, Laschet und Hildmann nicht mehr erreichen: Die Kanzlerin muss den Liberalen und Wirtschaftsvertretern jetzt in einfachen Worten erklären, dass uns weder Schnelltests noch Tübinger Modelle, sondern nur noch ein gescheiter Lockdown aus der Scheiße retten kann. Kommunikation auf Augenhöhe ist gefragt. 

Dabei brauchen sie so sehr ein Signal, eine Erzählung, die sie glauben können.

Alles Gute: Euer Dax Werner




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
09.12.2023 Leipzig, Kupfersaal Martin Sonneborn mit Gregor Gysi
10.12.2023 Kassel, Bali-Kino/Kulturbahnhof Gerhard Henschel
10.12.2023 Frankfurt, Elfer Ella Carina Werner
11.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige