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Dax Werners Debattenrückspiegel KW 11

Liebe Leser:innen,

wieder einmal liegt eine Woche hinter uns, in der ein kleiner Mann aus Aachen unverhofft ins Rampenlicht der bundespolitischen Öffentlichkeit stolperte: Armin Laschet, Noch-NRW-Ministerpräsident, seit dem 22. Januar Bundesvorsitzender der CDU und mit etwas Glück der nächste Bundeskanzler. Dabei sah es zunächst nach sieben Tagen mediale Verschnaufpause für das Öcher Original aus. Nach dem für die CDU ziemlich verkorksten Wahlwochenenden in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen bunkerte sich Laschet am Sonntagabend in seinem Berliner Büro ein und riss als allererstes einmal das Telefonkabel aus der Wand und stellte sein Telefon stumm, um das Wahldebakel nach der Maskenraffke-Affäre in der gebotenen Ruhe analysieren zu können. Was ihm viele bösartig als Feigheit und Führungsschwäche auslegen wollten, war in Wahrheit nur ein Beispiel von vielen für die Leadership-Qualitäten Laschets. Genauso konsequent entsandte er noch am Wahlabend Alt-Bundesinnenminister Thomas de Maizière als Unions-Vertreter zu Anne Will: Näher dran am Machtzentrum der CDU und CSU ist aktuell wohl keiner. Beide Beispiele verweisen auf Grundprinzipien des Machtpolitikers Laschet: Langsames Denken und Kommunikation auf Ballhöhe. Doch wer darin schon sein ganzes Programm erkennen will, unterschätzt ihn sträflicher als Friedrich Merz beim CDU-Parteitag. Denn wenn man genauer hinschaut, entdeckt man noch viele weitere magische Fähigkeiten und Assets, die sich der Aachener bei niemand anderem als dem letzten US-Präsidenten vor Joe Biden abgeguckt hat: beim amerikanischen Unternehmer Donald John Trump.

Ein tollkühner Vergleich, zugegeben. Doch betrachten wir die Sache einmal genauer. Da wäre bei beiden zunächst die oft fälschlicherweise als "bedenklich" ausgelegte Nähe zu christlichen Fundamentalisten. Der aus einem Opus-Dei-nahen Haushalt stammende Nathanael Liminski hat in jungen Jahren eine eigene hyperkatholische Lobbygruppe gegründet, die er inzwischen von "Generation Benedikt" in "Initiative Pontifex" umbenannt hat. Und gilt seit sechs Jahren als "Mastermind" und "Schattenmann" hinter dem überraschenden Aufstieg Laschets zum Spitzenpolitiker. Wenn, so Gott will, Laschet im September ins Kanzleramt einzieht, zieht sein engster Berater Liminski wohl mit ein. Und dann hätten beispielsweise auch die "Lebensschützer", also fundamentalistische Gegner:innen körperlicher Selbstbestimmung, die man beispielsweise auch auf der gestrigen Querdenken-Demo in München bestaunen konnte, über Liminski endlich einen direkten Draht zum künftigen Kanzler. Halleluja!

Doch damit nicht genug. Trump wie Laschet haben sich beide, bevor sie die Gipfel der politischen Macht erkraxelten, im Hochschulbereich für alternative und zukunftsgewandte Konzepte stark gemacht. Der Amerikaner mit seiner "Trump University" von 2005 bis 2010, an der er Geheimwissen aus der Immobilien-Wirtschaft unterrichten ließ, Laschet, indem er 16 Jahre als Dozent an der RWTH Aachen wirkte und sich bei der Benotung einiger Klausuren auf sein fantastisches Erinnerungsvermögen verließ: Als ihm ein Stapel Klausuren zur Benotung abhanden gekommen war, erfand er einfach Noten nach Bauchgefühl. Das forward thinking der beiden wurde summa summarum nicht so gut angenommen wie erhofft: Da an der "Trump University" weder die Dozenten einen Abschluss hatten noch die Studenten die Möglichkeit, einen anerkannten Abschluss zu erlangen, musste Trump letztendlich 25 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen. Laschet musste zwar nichts zahlen, wurde von der RTWH jedoch öffentlich mit dem Ende seines Lehrauftrags gedemütigt. Und vielleicht war es gerade diese Demütigung – parallel zu Barack Obamas Stand-up beim "White House Correspondents' Dinner" 2011, als er Donald Trump zum Gespött machte –, die Laschet nach dem abrupten Ende seiner akademischen Laufbahn 2015 mit der notwendigen Jetzt-erst-recht-Power ausstattete, um 2017 in die Düsseldorfer Staatskanzlei einzuziehen. Weiß man’s denn?

Ein weiteres Beispiel für die schier unzähligen Parallelen ereignete sich dann diese Woche. Nachdem Trumps kreativer Umgang mit Wahrheit und Wissenschaft in seiner vierjährigen Amtszeit zur Etablierung des "March for science" führte, trampelt Laschet inzwischen auf denselben Pfaden. Wird ihn zumindest vom politischen Gegner vorgeworfen. Dabei hat der Familienminister seines NRW-Kabinetts, der FDP-Mann Joachim Stamp, lediglich in einem Fernsehinterview auf die Frage, ab welcher Inzidenz NRW denn die Notbremse ziehe, mit seiner Hand eine Kurve in die Luft gemalt: "Ab hier ungefähr!" Flexibles Pandemie-Management folgt eben keinen starren Verordnungen! Als sich dann trotzdem einige NRW-Städte entgegen Laschets Expertise erdreisten wollten, ihre Schulen aufgrund der explodierenden Infektionszahlen zu schließen, schob der Aachener diesen demokratie-zersetzenden Bestrebungen aus Dortmund und Duisburg den staatsverantwortlichen Riegel vor: "So geht’s nicht, liebe Leute: Wie gefährlich die Chinaseuche ist, entscheide immer noch ich!" Demokratie heißt auch Verantwortung. Auch Stamp meldete sich wieder zu Wort: "Bei dieser Pandemie haben schon so einige falsch gelegen, auch das Robert-Koch-Institut." Das RKI ging nämlich parallel dazu der NRW-Landesregierung auf die Nerven mit der Feststellung, dass die seit einigen Tagen erhöhte Zahl an Schnelltests keinen entscheidenden Einfluss auf die Inzidenz nähme. Kann ja alles sein, aber pressemeldet sich auch leichter von der Hand, wenn man keine Bundestagswahl im September vor der Haustür hat! Manchmal muss man in der Politik ein bisschen auf Zeit spielen, bis man eine wissenschaftliche Einschätzung auch öffentlich akzeptiert. Oder anders gesagt: Wissenschaft ist bestimmt nützlich, aber man kann es auch übertreiben.

Wer sich noch länger mit den Parallelen dieser beiden Ausnahmepolitiker beschäftigten würde, brächte sicher noch Erstaunlicheres zu Tage. Ich für meinen Teil habe jedenfalls jetzt schon keine Lust mehr und konstatiere: Vielleicht ist dieser einfache kleine Mann aus Aachen so etwas wie die gute Version von Donald Trump, vielleicht vereint er das Beste beider Welten: des rust belts und des Kohlenpotts. Laschet als Mario und Trump als Wario. Ein vergnügliches Bild. 

Heitere Grüße: Dax Werner




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Briefe an die Leser

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Du wiederum, »Spiegel«,

bleibst in der NBA, der Basketball-Profiliga der Männer in den USA, am Ball und berichtest über die Vertragsverlängerung des Superstars LeBron James. »Neuer Lakers-Vertrag – LeBron James verzichtet offenbar auf Spitzengehalt«, vermeldest Du aufgeregt.

Entsetzt, Spiegel, müssen wir feststellen, dass unsere Vorstellung von einem guten Einkommen offenbar um einiges weiter von der Deiner Redakteur/innen entfernt ist als bislang gedacht. Andere Angebote hin oder her: 93 Millionen Euro für zwei Jahre Bällewerfen hätten wir jetzt schon unter »Spitzengehalt« eingeordnet. Reichtum ist wohl tatsächlich eine Frage der Perspektive.

Arm, aber sexy: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Verabschiedungsrituale

Wie sich verabschieden in größerer Runde, ohne dass es ewig dauert? Ich halte es so: Anstatt einen unhöflichen »Polnischen« zu machen, klopfe ich auf den Tisch und sage: »Ich klopf mal, ne?«. Weil mir das dann doch etwas unwürdig erscheint, klopfe ich im Anschluss noch mal bei jeder Person einzeln. Dann umarme ich alle noch mal, zumindest die, die ich gut kenne. Den Rest küsse ich vor lauter Verunsicherung auf den Mund, manchmal auch mit Zunge. Nach gut zwanzig Minuten ist der Spuk dann endlich vorbei und ich verpasse meine Bahn.

Leo Riegel

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster