Buchmessentrend Slow Reading
Na, heute schon was gelesen? Wenn Sie jetzt wie 99% der Menschen mit "nein" antworten, wird Sie die Wahrheit überraschen, sie lautet: ja, Sie befinden sich mitten in einem Text. In der Hektik des Alltags bemerken wir es häufig überhaupt nicht mehr, wenn wir lesen. Nervös zuckt unser Blick über E-Mails, Tweets, Rechnungen, Packungsbeilagen, Akten, Akte, Aktien, Akazien, Zeitungsartikel, Romane, Liebesbriefe – Sekunden später haben wir die Texte schon wieder vergessen, wenden uns neuem Buchstabenwirrwarr wie z.B. Xrchhzyklopw zu und haben trotzdem die ganze Zeit das Gefühl, seit Jahren kein vernünftiges Wort mehr gesehen, geschweige denn verstanden zu haben. Doch es gibt Widerstand gegen den Trend zum Word-Binging, eine ganze Bewegung hat sich dem langsamen, bewußten, achtsamen, genußvollen, konzentrierten, langsamen, bewußten und achtsamen Lesen verschrieben, eine Bewegung, die auf den Namen "Slow Reading" hört, wenn man ihr laut genug ins Ohr brüllt, damit sie einen Moment von der Lyrik aufblickt. Nach Slow Food, Slow Sex, Slow Chess, Slow Formula One und Slow Death erobert nun eine neue Entschleunigungswelle im Schneckentempo das Leben von Lifestylegurus und Burnoutpatienten. Statt im Turbomodus durch Wälzer zu hetzen wird sich nun gemütlich durch Hetzschriften gewälzt (Beispiel), jeder Satz, jedes Wort, jeder Buchstabe, jedes Komma, noch jeder einzelne i-Punkt will bewußt erfaßt und genossen werden, und zwar so langsam, wie es nur irgend geht. Vorbei sind die Zeiten, als man sich rühmte, am Wochenende Goethes Gesamtwerk durchgeackert zu haben und danach noch das von Kant; Slow-Reader prahlen damit, wie wenig weit sie wieder einmal gekommen sind, erfahrenste Slow-Reader sollen es auf kaum eine halbe Silbe pro Monat bringen – die allerdings studieren sie gründlich. Zu sich selbst finden, innerlich gesunden, der Welt den Rücken kehren sind die Motive, die sie antriebslos machen. Menschen, die das erste Mal mit Slow Reading in Berührung kommen, sind oft erschüttert, wenn sie feststellen, daß Wörter Bedeutungen haben, die sich sogar teilweise voneinander unterscheiden. Wer gewohnt ist, pro Tag 1000 Seiten Gesetzestexte abzunicken, zeigt nicht selten heftige körperliche Symptome bei der ersten Langsamlektüre eines Gedichts von z.B. Günter Grass. Vielen wird übel, manche müssen sich übergeben, kotzen das ganze nette Literaturcafé und die angrenzenden Straßenzüge voll. Die intensive Wirkung, die Wörter auf uns haben können, wenn wir sie nur gemächlichst lesen, wird unter dem Eindruck des alltäglichen Textsperrfeuers vielfach unterschätzt. Liebe Deppenleser, was ist mit Ihnen? Werden Sie es nun auch einmal probieren mit dem Slow Reading? Texte Stück für Stück wahrnehmen, dem Schillern und Vibrieren einzelner Zeichen in der Seele nachspüren, aufstehen, zum Fenster gehen, erst mal einen Kaffee kochen – im Finanzamt hat man gute Erfahrungen mit dieser Methode gemacht. Ein Besuch der Frankfurter Buchmesse mit den an zahllosen Ständen liebevoll dargebotenen Neuerscheinungen überzeugt ebenfalls, daß Slow Reading eine sinnvolle Möglichkeit ist, um den meisten Druckschrott herumzukommen. Geben Sie sich ein Rückchen, schalten Sie fünf Gänge herunter und bremsen Sie langsam ab, es wirkt schon, sehen Siiee? Ddeerr Tteexxtt eerrsscchheeiinntt Iihhnneenn ppllööttzzlliicchh vviieell lllääännngggeeerrr uuunnnddd sssccchhhööönnneeerrr uuunnnddd wwwuuunnndddeeerrrbbbaaarrreeerrr,,, aaalllsss Sssiiieee eeesss ssssiiiicccchhhh jjjjeeeemmmmaaaallllssss zzzzuuuu ttttrrrrääääuuuummmmeeeennnn eeeerrrrhhhhooooffffffffttt hhhhhäääääätttttttttteeeeennnnn, sssssooooo bbbbbllllleeeeeiiiiibbbbbeeeeennnnn Sssssiiiiieeeee dddddoooooccccchhhhh hhhhhiiiiieeeeerrrrr,,,,, hhhhheeeeeeeeeeeeeee.....................
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