Abschiedsgespräche mit Bundespräsident Joachim Gauck (1)
Heute: "Schloß Bellevue"
TITANIC: Sehr geehrter Herr Bundespräsident...
Gauck: Nennen Sie mich ruhig Joko!
TITANIC: Sehr geehrter Herr Bundespräsident, wir möchten mit Ihnen über Ihr Zuhause sprechen.
Gauck: Die freiheitliche Demokratie, die ohne Verantwortung nicht geda...
TITANIC: Nein, das Schloß Bellevue.
Gauck: Ist mir bekannt, da wohn' ich drin!
TITANIC: Ja, deswegen. Wie gefällt es Ihnen eigentlich dort?
Gauck: Och, kein Grund zur Klage. Ich kann mich frei bewegen, was für mich lange Jahre keine Selbstverständlichkeit war, wie Sie wissen. Das nutze ich intensiv, gehe oft in den Garten, um Freiheit zu tanken oder den Gärtner zu kontrollieren. Man darf Unkraut nicht wuchern lassen, sondern muß ihm den Kopf abschneiden. Das hat mit Verantwortung zu tun, für die Blumen.
TITANIC: Ihre Lieblingspflanze?
Gauck: Die Deutsche Eiche. Denk’ ich an sie in der Nacht, tropft mir das Harz literweise aus den Augen, vor Sorge und Verantwortlichkeit.
TITANIC: O je! Was machen Sie eigentlich so den ganzen Tag im Schloß Bellevue?
Gauck: Am Wichtigsten sind mir die Begegnungen mit den Menschen, die da überall herumwuseln. Das Schloß ist ja wirklich sehr groß: mit mehreren Etagen, Dachboden, Heizungskeller, Hobbyraum, Pool, Sauna, Friseur, Kiosk, Boutiquen, kleinen, verträumten Seitengäßchen, mit schnuckeligen Cafes und Waffenläden, mit Weinkellern, einer evangelischen Kir...
TITANIC: Sie sprachen von Begegnungen, Herr Bundespräsident!
Gauck: Ja, ohne Begegnungen wäre ich nicht Joachim Gauck, Präsident der Herzen, Spitzenbeliebtheitswerte nach Infratest dimap, sondern bloß irgendein Hansel, der Leute trifft oder mit ihnen redet. Ich suche statt dessen die Begegnung, das Gespräch, lasse die Menschen an meinen Gedanken teilhaben, an meinen Gefühlen, an meiner Lebenserfahrung, an den tiefen Verletzungen, die mir meine Unterdrücker zugefügt haben, am Schmerz und an der Verbitterung, an meinen Rachegedanken und letztlich an meiner regelrechten Mordlust. Das mögen die Menschen, weil es ehrlich und authentisch ist, und weil ich ungemütlich werde, wenn sie es nicht mögen. Noch wichtiger aber sind mir die Erfahrungen und Verantwortungsempfindungen der anderen Menschen, vorausgesetzt, ich habe selbst alles haargenau so erlebt. Dann weinen wir ein bißchen vor Rührung, bevor ein Lakai die klitschnassen Taschentücher in die Reinigung bringt. Danach kommen oft Staatsgäste oder tote Soldaten, Sportler, Behinderte, Unfallopfer, die Armen und Kranken, sogenannte Unterprivilegierte, Flüchtlinge, Clowns und Jongleure, Friede Springer, der Dalai Lama, die Damen von der Escortagen...
TITANIC: Schlußfrage, Herr Bundespräsident!
Gauck: Sagen Sie ruhig: "Beliebtester Bundespräsident seit..."
TITANIC: Herr Gauck, wo sehen Sie sich in 23 Jahren?
Gauck: Als Topmanager bei Heckler & Koch, mit einer Nebenbeschäftigung als Militärseelsorger in Somalia – das wär’n Träumchen.
◀ | Aufgedeckt | Morgen am Kiosk, heute bei TITANIC | ▶ |
Newstickereintrag versenden…