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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Zum Teufel mit Prada

Das war nun abermals so ein Zufall, daß ich nur was für den Einkaufszettel brauchte und plötzlich den Wirtschaftsteil in der Hand hatte; und sicher soll man über Dummheit und Elend nicht lachen, aber hier, bei einem Bericht über die Produktionsbedingungen bei der Gutverdiener-Funktionsjackenfirma Moncler, ließ es sich nicht vermeiden: „… führt ein italienisches Fernsehteam an einen Ursprungsort der Kultjacken. Die Reise geht nach Ungarn, zu den Gänsen, deren Daunen die Käufer der angesagten Modeteile wärmen werden. Die Bilder aus der weißen Federwelt sind schwer mit der Aura exklusiver Luxusboutiquen vereinbar. Die versteckte Kamera des italienischen Fernsehsenders RAI filmt in einem Stall. Frauen und Männer sitzen auf niedrigen Schemeln entlang der Wand und rupfen das Gefieder der zwischen ihren Beinen zappelnden Tiere aus. Im Akkord. 10000 lebenden Gänsen sollen sie in diesem Betrieb die Federn ausreißen. In vier Tagen. Sie bekommen 30 Cent pro Gans. Das geht, wie vier Millionen Fernsehzuschauer der Sendung ,Report‘ sahen, nicht ohne zum Teil schwere Blessuren ab. Ungarn ist nach China der größte Daunenhersteller der Welt. Seine Hauptabnehmer sind Italien und Deutschland. Die Lebendrupfung ist in der Europäischen Union verboten ... Anzeigen und Proteste werden von den EU-Behörden seit Jahren abgebügelt.“

„Eine Weltfabrik / zum Beispiel Hemden / lassen wir in Hongkong machen / Autos in Brasilien / und schwarze Mädchen in Südafrika / verpacken Aspirin / die ganze Erde wird ein Supermarkt / mit Rock und Pop und Rumtata / … sicher / Ungerechtigkeiten / oder besser noch Disparitäten / wird's dabei natürlich geben“ Degenhardt, 1977

Daß Sie mich nicht für roh halten: Hier habe ich noch nicht gelacht; aber hier: „Die reinen Herstellungskosten eines Wintermodells – Ladenpreis: 1200 Euro – betragen nach Schätzung eines ehemaligen leitenden Moncler-Mitarbeiters 45 Euro. Den Daunenwert taxiert er auf neun Euro.“ Sind wir bei 54 Euro Herstellungskosten für etwas, das für 1200 Euro verkauft wird, und der gewissen, nun ja, Diskrepanz zwischen dem dreifachen Hartz-IV-Satz, den irgendein Esel, eine Eselin für eine „Kultjacke“ (SZ) ausgibt, und den 30 Cent, die ein osteuropäischer Niedrigstlohnsklave dafür bekommt, einem noch Schwächeren die Gewalt anzutun, ohne die es eben nicht abgeht, wenn im harten Preiskampf –

Moment. Preiskampf? Bei einer Marge von (Zwischenhandel eingerechnet) 2000 Prozent? Bei einem Preis, der für die Esel und Eselinnen dieser Welt nicht hoch genug sein kann, weil allein der Preis das Objekt als „Kult“ statuiert? Und da kann man nicht warten, bis das Federvieh geschlachtet ist, und da kann man dem Rupfer und der Rupferin nicht einen halbwegs würdigen Stundenlohn zahlen? Weil 2000 Prozent halt besser sind als bloß 1500? „Zusammen mit der Finanzpolizei besichtigte ,Report‘ vor ein paar Jahren bei Neapel eine Werkstatt, in der Nylontaschen für Prada in Schwarzarbeit hergestellt wurden. Die Firma erhielt 28 Euro pro Tasche, im Laden kostete sie 400 Euro … Nun ärgerte sich Prada-Chef Patrizio Bertelli wieder mal [über die Berichterstattung]. Das Auslagern von Teilen der Produktion ließe sich auf einem freien Markt nicht unterbinden.“

Das mag sogar stimmen. Und wenn das aber stimmt: dann nimmt man das hin und hofft, im nächsten Leben nicht als ungarischer Gänserupfer auf die Welt zu kommen. Oder man schickt den freien Markt, so wie er ist und dem Anschein nach bleiben wird, zum Teufel.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg