Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Und der Zukunft zugewandt

Zu meiner kleinen DDR-Bibliothek gehört ein Buch eines Prof. Heinz Heitzer: „DDR. Geschichtlicher Überblick“ (Berlin/DDR, 1979/1989), ein natürlich restlos parteiisches Werk, und das ist hübsch zu lesen, wenn man ein Faible für derlei hat: „Der VII. Parteitag der SED im April 1967 stellte fest, daß die Bedingungen und die Notwendigkeit herangereift seien, in dem neuen geschichtlichen Abschnitt alle Bereiche der Gesellschaft, wie Politik, Ökonomie, Kultur und Ideologie, Wissenschaft, Landesverteidigung und andere, gleichermaßen und proportional zueinander zu entwickeln.“ Ob man nun unbedingt Zeithistoriker in der DDR gewesen sein will, steht auf einem anderen Blatt.

Dann doch lieber als Historikerin in Greifswald und ehemalige Stipendiatin der „Bundesstiftung zur Ausarbeitung“ – Freudscher Verschreiber – „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ der Westpresse zuarbeiten und, so demokratisch wie phrasenfern, per Gastbeitrag in der SZ an den „mutigen Pfarrer Oskar Brüsewitz“ erinnern, „der sich aus Wut über das SED-Regime vor 40 Jahren selber verbrannte“: „Dieser Mann schlug alle Vorsicht in den Wind und verwies mit wunderlichen Aktionen auf den alltäglichen Aberwitz des SED-Regimes … gegen die staatliche Dominanz … erhob er das Wort gegen die Machthaber … Zu den unsinnigen Wahlen erschien er allenfalls, um dem verblüfften Wahlvolk zuzurufen: ,Ich habe schon gewählt, nämlich Jesus Christus!’“ Klar, daß die Tochter „kein Abitur machen durfte. Statt dessen teilten die Behörden das zierliche Mädchen zu einer Lehre als Gleisbauarbeiterin ein.“

So war das; wie Forschung ja immer dann am dankbarsten ist, wenn man vorher weiß, was rauskommt. Aber kann man wen zu einer Lehre „einteilen“? Und lassen sich „verweisen“ und „hinweisen“ wirklich synonym verwenden? Doch werden wir nicht nicklig und sparen uns auch die Prüfung der Frage, wie sinnvoll unsere Wahlen (West) denn sind (schon gar, seit es die Ost-Alternative nicht mehr gibt); wer in diesem Land nicht zum Abitur gelangt und warum nicht; welche Schikanen das Hartz-IV-Deutschland so auf Lager hat oder ob Adorno speziell ans SED-Diktaturregime dachte, als er über die totale Produktionswelt und den „Aberwitz ihrer Einrichtung“ schrieb.

„Für sicher hält er: In allem steckte ein Sinn; in allem steckt ein Sinn.“ Hermann Kant, 1972

Die Dame ist mein Jahrgang, heißt Hedwig Richter, und mit ihr marschiert die alte Zeit, in der die frischgeduschten Hedwigs, ausgestattet mit Bundesmitteln, sich natürlich nicht fragen, ob, was am Realsozialismus schlecht war, ohne die Feindschaft des Westens besser hätte sein können; und ob der kapitalistische Sieger für sich in Anspruch nehmen kann (noch überhaupt will), was Prof. Heitzer für seinen Sozialismus in Anspruch nahm: „Der Sozialismus garantiert nicht nur in Worten, sondern in der Realität das Recht auf Arbeit, auf eine hohe Bildung und ein kulturvolles Leben. Er hat Wesentliches geleistet, um die Gleichberechtigung der Frau zu verwirklichen.“ Im Boomjahr 2016 beziehen 6 Millionen Menschen in Deutschland Sozialgeld oder Hartz IV, 7,5 Millionen gelten als funktionale Analphabeten, und Kochmagazine heißen Mutti kocht am besten. Das ist freilich kein alltäglicher Aberwitz, sondern soziale Marktwirtschaft.

Die DDR hat, schreibt Dietmar Dath zum Tode Hermann Kants, „diejenigen mit ihrer Wirklichkeit gequält …, die ihr als ihre Bewohnerinnen und Bewohner nicht dienen wollten, weil sie von einer anders sozialistischen (oder gleich einer bürgerlich-demokratischen) Republik träumten“. So kann man selbst im bürgerlichen Blatt über den toten Sozialismus schreiben, wenn man nicht auf einem Auge blind ist und weder einfältig noch korrupt genug zu glauben, daß das, was ist, im Ernst schon alles sei. „Es muß doch mehr geben als arbeiten und eine Familie haben“, zitiert das Kernstück meiner Ostbibliothek (Windmöller/Höpker: Leben in der DDR. Hamburg 1977) einen Ost-Regisseur. „Man muß doch etwas tun, die Welt verändern, Spuren hinterlassen. Dieser Gedanke scheint mir unter den Menschen hier, die nachdenken, verbreiteter zu sein als bei Ihnen“, also bei Dr. Richter, in München oder auf Faz.net, wo unter Daths Nachruf ein Dr. Andreas Frick dem toten Kant sofort „Zuträger der Stasi“ hinterherschrie.

Daß ich von derlei Zukunftsfestigkeit mal zwei Wochen Urlaub nehmen muß: man möge es verstehen.

Liebe Leserin, liebe Leser: Ihr Sonntagsfrühstück ist am 11. September wieder für Sie da.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg