Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Eine Verantwortung
Sie können einem leid tun: „,Abscheuliches Verbrechen’. Deutsche Muslime verurteilen islamistische Gewalt … Einer der größten deutschen Islamverbände … sprach der französischen Regierung sein Beileid aus und grenzte den Islam von den Attentätern des sogenannten islamischen Staats (IS) ab. ,Alle Formen von Terrorismus und Extremismus sind völlig konträr zu den wahren Lehren des Islam’“, (SZ), was der ZDF-Ankermann Kleber vermutlich nicht in Zweifel zieht; und trotzdem fragt er den Vorsitzenden des islamischen Zentralrats gleich zweimal, ob der Islam da nicht „eine Verantwortung“ habe. Und der, ganz botmäßige Minderheit, muß das natürlich, wie gewunden und schwitzend immer, bejahen.
Es ist müßig, sich darüber zu streiten, ob der Islam eine friedliche oder eine kriegerische Religion sei. Das ist dann egal, wenn wir Religion, wo sie sich schon nicht abschaffen läßt, als die Privatsache behandeln, die sie ist. Als islamische neigt sie dazu, es nicht zu sein, denn die Umma, die Gemeinschaft der Gläubigen, ist mit der Gesellschaft identisch; aber nirgends, nicht einmal in Teheran, steht Ahmed Normalmuslim morgens auf, um bis zum Abend die Ungläubigen ausgerottet zu haben. Er ist Arzt, Lehrer, Bäcker oder Straßenkehrer, und wenn er betet, dann fürs Heil nach dem irdischen Feierabend. Ein Christ macht das nicht anders, und daß er gegens Verhetztwerden immun wäre, wird man nicht behaupten wollen.
„(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat." §27 StGB
Das Problem, auch wenn öffentlich-rechtliche Aufklärer wie Kleber oder der Kommentator der Süddeutschen („der innerislamische Gesellschaftskrieg ist keine Erfindung des Westens“) das zu eskamotieren versuchen, ist – immer wieder, es tut mir leid – kein religiöses, sondern ein soziales, so wie schwarze junge Männer in den USA nicht darum massenhaft im Knast sitzen, weil Schwarze Kriminelle sind. „Unterdrückung, gescheiterte politische Systeme und starkes Bevölkerungswachstum sind die Brutstätten für das Entstehen islamistischer Gewalt“, weiß sogar Freund Frankenberger in der FAZ. „Ohne weitreichende Reformen kann der Terror dort nicht besiegt werden.“ Wer bislang kräftig mit unterdrückt hat, wem das politische System in Bagdad oder Damaskus egal gewesen ist, solange nur das Öl floß, und wie also die weitreichenden Reformen auszusehen hätten, ohne daß man an der Weltordnung aus Koch und Kellner rütteln müßte – als lasse sich der Imperialismus mit dem Sozialgesetzbuch aus der Welt schaffen –, verrät der Frankfurter Auslandsredakteur nicht. Der innerislamische Gesellschaftskrieg im Irak z.B. ist halt eine Erfindung des Westens, nämlich eine direkte Folge des Irakkrieges von 2003, und wer, ganz generell, ein Auskommen und Perspektiven hat, der interessiert sich für den Unterschied zwischen Sunnit und Schiit auch nicht dringender als der Katholik für die Frage, ob ein Geschiedener noch mal heiraten darf.
Aber der bürgerliche Journalist, dem der Dax allemal näher ist als der geflickte Rock eines irakischen Familienvaters, will ja die Dinge nicht ins Rutschen bringen; und also ist er „an sich“ (Polt) nicht gegen den Islam, läßt aber an der sittlichen Überlegenheit des eigenen Aberglaubens (und des zugehörigen Abendlandes) keinen Zweifel: „Was wir den Terroristen entgegensetzen müssen: Weiterzuleben wie bisher. Das christliche Heilsversprechen ist nicht schwächer als die irren Vorstellungen verblendeter Todesschwadronen.“ Er ist ein Schatz, der Reinhard Müller von der Frankfurter Allgemeinen: unser Christentum gegen deren Todesschwadronen. Unser Christentum, dessen Kriminalgeschichte allerdings bekannt ist und das sich die Erde auf eine Weise untertan gemacht hat, die allenfalls die Wünsche jener Milliarden offen läßt, die dabei nicht mitmachen dürfen. Weiterzuleben wie bisher, auf ihre Kosten: das ist kein Rat, das ist, in jeder Beziehung, Beihilfe.
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