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Fabian Lichters Economy Class

Kein Ende der Geschichte  

Beinahe muss man Dieter Nuhr schon wieder dankbar sein, dafür, dass er nicht müde wird, sich als Paradebeispiel und inoffizieller Vertreter einer Generation zur Schau zu stellen, deren Mitglieder im fortgeschrittenen Alter gerade noch einmal reihenweise in die Trotzphase zurückfallen. Jüngst verfasste er etwa das Vorwort für das Buch des ehemaligen Bild-Mitarbeiters Ralf Schuler („Generation Gleichschritt“). Schuler, der vor einiger Zeit das Springeruniversum verlassen hatte und dem die Bild zu woke geworden war, hat mit den üblichen Klagen über Cancel Culture und einen linken Mainstream inzwischen eine neue Heimat im Dunstkreis des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt gefunden. Schulers Sicht kann – wenig überraschend – auch Nuhr so einiges abgewinnen. Schuler erinnere an das „Neutralitätsgebot für Journalisten“, wo sich „die mediale Meinung schleichend, aber kontinuierlich immer weiter auf die linke Seite des Spielfeldes verschoben“ habe. Eine „Shitstormkultur“ bedrohe den Meinungsaustausch. Müßig zu erwähnen, dass in Zeiten sozialer Netzwerke eine Beschwerde schlicht weniger Anlauf benötigt als früher, als man sie noch eigenhändig zum Briefkasten tragen musste. Den Großteil seiner Kritiker ruft Nuhr aber nun einmal ohnehin dadurch auf den Plan, dass er sich inzwischen geradezu programmatisch der Darbietung des zur Reflexion unfähigen älteren Mannes verschrieben hat, für den alles, was nach ihm kommt, nicht mehr beachtenswert scheint und allenfalls Vorlage für einen müde abwinkenden Schenkelklopfer ist. Wer so gewieft darin ist, Ungereimtheiten etwa bei der Klimabewegung aufzutun, dem dürfte es nicht schwerfallen, im Umfeld von Bild, Welt und Achgut auch das ein oder andere Haar in der Suppe – nicht nur in Sachen Neutralitätsgebot – zu finden. Die Gewichtung aber, für die Nuhr sich entschieden hat, ist offensichtlich. Damit gerade stößt er bei seinem Publikum auf Verständnis, das es selbst als Zumutung empfindet, dass die Geschichte mit ihnen nicht endet. Aus Trotz wirft man sich noch den reaktionärsten Teilen der Gesellschaft in die Arme. Nicht nur im Ersten.

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Babylon Berlin

Ob patriotischer Pöbel-Twitter-Account oder Journalist aus dem Ressort Freiheit – sie alle käuen manisch die Klage wieder, Deutschland habe schon bessere Tage gesehen. Damals, als noch Milch und Diesel flossen und ein jeder so frei war, sich nicht um Binnen-Is oder die Umwelt scheren zu müssen. Das BIP gedieh prächtig und alle hatten sich lieb. Mann und Frau und nichts dazwischen. Man hatte deutsche Werte und die Deutsche Mark und all das reichte bereits dicke aus für den Urlaub mit Vollpension und ohne schlechtes Gewissen. Jener paradiesische Zustand, er sei mutwillig und systematisch zerstört worden, so die Behauptung, und das Unglück halte an. Die Realität soll Zeuge sein, ganz gleich, wie man sie sich dafür zurechtbiegen muss: Ob ein Messerattentat wie jüngst in Brokstedt, ob Versorgungsprobleme aufgrund globaler Krisen – alles wird zu Wasser auf den Mühlen und bestätigt der radikalen Mitte, was sie längst weiß: Deutschland geht den Bach runter, weil immerzu die falschen Leute am Ruder sitzen. Berlin, Frankfurt und andere Großstädte werden zu schändlichen Ergebnissen progressiver Politik deklariert. Da könne man es ja mal wieder sehen. Ob Ausschreitungen in Neukölln, ob Obdachlosigkeit und steigende Altersarmut. Ideologen roter oder grüner Couleur tragen die alleinige Schuld daran, da ist man sich sicher, Migration und Sozialabgaben hätten das Land ruiniert. Die mantraartigen Beschwörungen der immergleichen Feindbilder und die Rückkehr zu den immergleichen Heilsversprechen – Abschottung und mehr Wettbewerbsfähigkeit schaffen – sie zeugen vom wahnhaften Moment dieser Trauer um vergangene Tage. Es muss inzwischen ein hartes Stück Bewusstseinsarbeit sein zu übersehen, dass gerade die Implementierung des Marktes in noch den letzten Lebensbereich mit all den Krisen, die einem allmählich bedrohlich nahe kommen, unmittelbar zusammenhängt.

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Ausgetrickst

Wenn es so etwas gibt wie einen typisch deutschen State of Mind, so trat er im Gespräch Anne Wills mit Greta Thunberg jüngst deutlich zutage. Thunberg tut dabei, was man als Aktivistin eben so tut, und formuliert ihr Anliegen und das ihrer Mitstreiter. Anne Will tut, wofür Anne Will da ist: Fragen im Sinne der Zuschauerschaft stellen, selbst dort, wo es eigentlich nicht mehr viel zu fragen gibt. Das Interview gibt dennoch über allerhand Auskunft, was jedoch vor allem an den Fragen Anne Wills liegt, mit denen sie Thunberg die Gekränktheit des deutschen Besserbürgertums wie veganes Zwiebelschmalz aufs Brot schmiert. Jener Klientel also, die mit dabei ist, wenn Aktivisten von einem Systemwechsel sprechen, die dabei aber eher an Tesla fahren, Minimalismus oder an Einkaufen bei Alnatura denkt, und weniger an auch nur symbolische Störungen im Betriebsablauf. "Haben sich die Grünen von RWE austricksen lassen?", fragt Will allen Ernstes, als habe Habeck beim Kartenspiel verloren. Und ob man sich nicht freuen könne, dass neben dem inzwischen dem Erdboden gleichgemachten Lützerath immerhin ein paar Dörfer stehenbleiben durften, Stichwort Kompromiss. Das sieht Thunberg überraschenderweise nicht so, und auch das von Will zitierte Habeck-Kauderwelsch zu Lützerath ("Es ist nicht, wie behauptet wird, das ewige Weiter-so, es ist der Schlussstrich darunter") verfängt nicht. Mit welchen Wassern muss diese Greta gewaschen sein, wenn selbst unser aller Habeck nicht mehr zu ihr durchdringen mag? Das alles gipfelt in der beleidigten Suggestivfrage, ob die Klimabewegung sich radikalisiert habe und somit Sympathien verspiele. Das Gerede von verspielten Sympathien, es begleitet die Klimaproteste schließlich von Anfang an. Wo sich das vermeintlich progressive Bürgertum der eigenen Inkonsequenz allzu bewusst wird, droht es mit der Entsolidarisierung. Umgekehrt geht die Rechnung auf: Wer sich angesichts der Klimaproteste lauthals Sorgen macht, Aktivisten könnten Sympathien verlieren, möchte ungern wahrhaben, dass er sich auf der anderen Seite des Grabens befindet.

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MfG: RWE

Die Grünen und führende Wirtschaftsvertreter des Landes haben sich geeinigt: Ja, es wird Enteignungen geben. Ja, doch! Und wenn man ein solches Wagnis schon einmal angeht, dann aber auch bitte richtig. Gleich ein ganzes Dorf, das Dorf Lützerath in Nordrhein-Westfalen, soll nun weggebaggert werden für die Allgemeinheit, sprich RWE, und schöner könnte nicht vorgeführt werden, was die grüne Fusion von Wirtschaft und Klimaschutz, fleischgeworden in der Person Robert Habeck, so alles an Wundern für die Zukunft bereithält. Hieß das Amt, das Habeck nun bekleidet, zu Zeiten des Kabinett Merkel noch Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, wurde daraus mit der Ampel schließlich jenes Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das schon in der Selbstbeschreibung jeden Widerspruch besagter Bereiche durch ein schlichtes "und" versöhnen soll. In der Praxis heißt das dann eben etwa: Kohleausstieg ja, Enteignung im Namen von Energieriesen auch ja. Ja, ja, ja! Selbst wenn es ernsthafte Zweifel daran gibt, ob die Kohlevorkommen unter dem Dorf überhaupt benötigt werden: Ja! So muss man der Zukunft begegnen, denn ein Nein, das hört keiner gern. Schon gar nicht bei RWE. Ein kleines Entgegenkommen für die Gegenseite gibt es aber: Mit dem Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach ist sogar ein Grüner für die Räumung des Geländes zuständig, auf dem sich derzeit die Klimaaktivisten tummeln. Als Polizeipräsident und Grüner, so sagt er es dem WDR, hadert er hier durchaus mit seiner Rolle bei der Räumung, aber Funktion sei eben Funktion. Und da würde auch ein Habeck sicher eilfertig nicken, durch den der Riss ja schon per Amtsbeschreibung geht. Einfacher haben es da schon die Julis – auch die Liberalen wachsen schließlich nach – die die Verwüstung ganz ohne Bauchschmerzen via Sharepic auf Twitter gleich als #Aufbruch feiern konnten. Der, da kann kein kleines "und" darüber hinwegtäuschen, sieht hier eben immer noch so aus, dass am Ende kein Grashalm mehr steht, mitunter auch ein ganzes Dorf vom Erdboden gefegt werden muss, wenn das Kapital sich räuspert.

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Flucht nach vorne  

"Ich werde ‚mein Land‘ nicht mit der Waffe verteidigen, sondern fliehen" lautet die Antwort von Autor Christian Baron ("Ein Mann seiner Klasse") im Freitag auf eine Frage, die nie gestellt wurde. Stattdessen werde er "alles tun, um an einen sicheren Ort zu gelangen". Irgendwo zwischen Gemeinplätzen zu Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder", das ihn vor dem Eintritt in die Bundeswehr bewahrt habe und Remarques "Im Westen nichts Neues", das uns allen Warnung vor dem Rückfall in ein kriegerisches Zeitalter sein müsse, heißt es schlicht: "Es gibt in einem Krieg meist mehr Optionen als nur Sieg und Niederlage. Wo aber den Intellektuellen der dialektische Materialismus als Kompass verloren gegangen ist, bleibt ihnen nur noch das Denken in Dichotomien." Und damit das Jargon-Wirrwarr komplett ist, wird selbst der Begriff der toxischen Männlichkeit herangezogen, der jenen Habitus beschreibt, den man von links ansonsten nur allzu gerne kritisiere, mit dem man sich aber doch in der Solidarität mit der Ukraine auch gemein mache. "Das Jahr 2022 war ein Jahr des Rückfalls in ein heroisches Zeitalter. Maßgeblich herbeigeführt haben diesen Rückfall ausgerechnet jene, die zuvor intensiv an einer Dekonstruktion gewaltverherrlichender Ideologeme gearbeitet haben. Von Triggerwarnungen vor Filmen mit expliziten Szenen bis hin zu mehr Sensibilität für Menschen mit psychischen Erkrankungen – allmählich hatte sich die Perspektive durchgesetzt, dass als Schwächen konnotierte Eigenschaften große Stärken sind, weil sie zu einer menschenfreundlicheren Welt beitragen." Es kann, idealistisch gesprochen, selbstredend nicht verwerflich sein, nicht in einem Krieg kämpfen zu wollen, dazu bräuchte es weder Brecht noch Remarques. Mit direkten oder weniger direkten Verhaltensempfehlungen deutscher Autoren an eine angegriffene Bevölkerung verhält es sich da wahrscheinlich anders. Damit spricht Baron vor allem denen aus dem Herzen, die selbst ein paar liebgewonnene Dichotomien nicht als überholt begraben möchten. Weder kriegshungrig noch geschichtsvergessen muss man nun einmal sein, um die gänzlich unmaterialistische Vorstellung zurückzuweisen, irgendeine Freiheit auf Erden stünde nicht auf dem Fundament der Gewalt.      

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Driving home

Zum Ende eines Jahres gehören die Artikel über Heimfahrten, Reflexionen über die stille Jahreszeit direkt aus dem Bahnabteil, es schneit Rück- und Ausblicke. Und wer nicht mit der Bahn nach Hause, zur Familie oder davonreist, kann sich bei seiner Fahrt unter Umständen auch an einer Tankstelle mitten im Schwarzwald wiederfinden. Dort hört man dann eventuell die Frau hinter der Kasse mit einem Handwerker darüber sprechen – man kennt es inzwischen – ein Virus sei gezielt unter die Leute gebracht worden, die Medikamentenknappheit wiederum, die Lieferengpässe bei Fiebersäften aktuell, sie seien eine kalkulierte Angelegenheit und dienten dem Zweck, sich gewisser Menschen zu entledigen. Geplauder hinter dem Tresen, ganz so, als ginge es nun wirklich nicht banaler. Nichts allzu Neues mehr, knapp drei Jahre nach den ersten Erschütterungen durch einen bis dato unbekannten Erreger, ja regelrecht ermüdend inzwischen, und doch lässt es einen immer wieder aufhorchen. Während man also die Tankfüllung und eine Packung Gummibärchen bezahlt, fällt einem dazu unweigerlich die Tankstelle in Idar-Oberstein ein und man fragt sich, ob es dem Gegenüber da nicht ähnlich geht. Dass die Schwarzwald-Tankstelle, in der man Großem auf der Spur ist, auch der bürgerlich bewohnte Altbau sein könnte, längst Gewissheit. Kein ruhiges Hinterland hier, aber auch hinter Stuckfassade sieht es nicht zwangsläufig aufgeräumter aus. Und wer all den Grusel noch immer für ein Netzphänomen hält, künstlich hochgespielt, wie es jüngst noch routiniert über Reichsbürger und Co. hieß, war wohl selbst schon eine Weile nicht mehr außerhalb seines kleinen Reiches unterwegs. Für einen erfolgreichen Putsch reicht all das freilich nicht, das hat – so viel Zeit sollte dieser Tage zumindest sein – so wohl auch kaum jemand behauptet. Allein die Gewissheit, man könnte all dem nicht einmal davonfahren, legte man es denn darauf an, reicht aber ja auch bereits völlig aus für frostige Momente. Selbst bei 16 Grad kurz vor Neujahr.

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Zurück zum Urzustand

Ein paar Wochen "leitete" Elon Musk Twitter, ehe er ankündigte, einen neuen CEO an seinen Platz zu stellen, und Alice Weidel, AfD, ist angesichts seines Werks bereits voll des Lobes: "Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, kann auf Twitter wieder offener für Freiheit und Selbstbestimmung eingetreten werden". So jedenfalls Weidel zur Rheinischen Post. Wie eben jeder gerade seine eigenen Worte dafür findet, dass mit Musks Übernahme Twitters sich rassistische und antisemitische Beiträge nachweislich vervielfacht haben, da Musks erste Amtshandlungen, neben der Entlassung eines Großteils der Belegschaft, in erster Linie darin bestanden hatten, die Content-Moderation abzubauen bzw. alleine noch dafür zu nutzen, seine Kritiker anzugehen. Dafür wird er verehrt von reaktionären Größen wie Jordan B. Peterson und gehasst von wiederum vielen anderen, denen der ganze Backlash nicht erst seit gestern Kopfschmerzen bereitet. Alice Weidel hätte es freilich nicht dafür gebraucht, die Entwicklung rund um das Netzwerk skeptisch zu betrachten. Denn auch ohne ihre Sympathien für die Vorgänge auf Twitter dürfte inzwischen jedem vor Augen geführt worden sein, wie viel wirklich dran ist am Gerede jener Free-Speech-Apologeten. Dass es lohnt, skeptisch zu sein, wenn einem Multi-Milliardäre etwas von einem Update für die Demokratie erzählen, das notwendig sei, da mit der alten Version irgendetwas im Argen läge. Wo einem Marktradikale dazu raten, lustige Coins zu kaufen und Arbeitnehmerrechte gegen das richtige Mindset einzutauschen, meinen Demokratie und Meinungsfreiheit also immer noch zuvorderst das verbriefte Recht der Stärkeren über die Schwachen. Die Glorifizierung eines Urzustandes frei von Verkehrsformen, ohne die es mit der Zivilisation nun mal nicht allzu weit her ist. Wer daran zweifelte, konnte es jetzt einmal live erleben und hat mit dem Wahnsinn um und auf Twitter einen Vorschein auf die Zukunft erhalten, mit der Musk und seine Freunde einem drohen.

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

 »Welt«-Feuilletonist Elmar Krekeler!

»Friede eurer gelben Asche, Minions!« überschrieben Sie Ihre Filmkritik zu »Ich – einfach unverbesserlich 4«. Vorspann: »Früher waren sie fröhliche Anarchisten, heute machen sie öde Werbung für VW: Nach beinahe 15 Jahren im Kino sind die quietschgelben Minions auf den Hund gekommen. Ihr neuestes Kino-Abenteuer kommt wie ein Nachruf daher.«

Starkes Meinungsstück, Krekeler! Genau dafür lesen wir die Welt: dass uns jemand mit klaren Worten vor Augen führt, was in unserer Gesellschaft alles schiefläuft.

Dass Macron am Erstarken der Rechten schuld ist, wussten wir dank Ihrer Zeitung ja schon, ebenso, dass eine Vermögenssteuer ein Irrweg ist, dass man Viktor Orbán eine Chance geben soll, dass die Letzte Generation nichts verstanden hat, dass Steuersenkungen für ausländische Fachkräfte Deutschlands Todesstoß sind und dass wir wegen woker Pronomenpflicht bald alle im Gefängnis landen.

Aber Sie, Elmar Krakeeler, haben endlich den letzten totgeschwiegenen Missstand deutlich angesprochen: Die Minions sind nicht mehr frech genug. O tempora. Titanic

 Nachdem wir, »Spiegel«,

Deine Überschrift »Mann steckt sich bei Milchkühen mit Vogelgrippe an« gelesen hatten, müssen wir selbst kurz in ein Fieberdelirium verfallen sein. Auf einmal waberte da Schlagzeile nach Schlagzeile vor unseren Augen vorbei: »Affe steckt sich bei Vögeln mit Rinderwahnsinn an«, »Vogel steckt sich bei Mann mit Affenpocken an«, »Rind steckt sich bei Hund mit Katzenschnupfen an«, »Katze steckt sich bei Krebs mit Schweinepest an« und »Wasser steckt sich bei Feuer mit Windpocken an«.

Stecken sich auf den Schreck erst mal eine an:

Deine Tierfreund/innen von Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Der kästnerlesende Bläser

Es gibt nichts Gutes
außer: Ich tut’ es.

Frank Jakubzik

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
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04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
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