Newsticker

Nur diese Kategorie anzeigen:Gärtners Sonntagsfrühstück Eintrag teilenEintrag per Email versenden Mit Facebook-Freunden teilen Twittern mit Google+ teilen

Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Unvorstellbar

Ich mag die Bild nicht lesen, manchmal aber eben doch, denn es gibt die Kopie, und es gibt das Original: „Schluß mit Roaming-Abzocke“, „Die russische Regierung ist massiv verstimmt“, „Sibel Kekili, die frühere Porno-Darstellerin“, die es sowenig mehr ist wie Michaela Schaffrath, es aber auf dem Boulevard ebenso ein Leben lang bleiben wird. Und daß es in Bonn noch Ministerien gibt, wo man doch eine so tolle Hauptstadt hat und die ständigen Dienstreisen im laufenden Jahr die phantastische Summe von 7,7 Millionen Euro verschlingen (um diese Summe wächst die deutsche Staatschuld in nicht einmal fünf Stunden), geht natürlich gar nicht: „Wie ein besonders drolliger Ausdruck dieser Stimmungslage“, nämlich der von damals, als die Splitting-Entscheidung fiel, „mutet im Rückblick an, daß ernsthaft gestritten wurde, ob Berlin Sitz von Regierung und Parlament werden sollte. Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus; heute wäre das unvorstellbar.“

„Wir spielen immer nur dasselbe  / Wir spielen immer nur dasselbe / Du sagst das wär zwar nicht das Gelbe / Doch wir spiel'n immer nur dasselbe / Und wenn wir damit fertig sind / Dann spiel'n wir's gleich noch mal von vorn // Bei anderen Gruppen, da wechselt der Schlagzeuger manchmal den Takt / Das gibt's bei uns nicht / Das wär' für uns ein viel zu großer Akt“ Rodgau Monotones, 1988

Denn heute sind wir weiter, und was damals noch erst anfing: die Liebe zum Vaterland und seinen Symbolen, steht heute, „25 Jahre nach dem Fall der Mauer“, in voller Blüte. Natürlich war der Entschluß, das Parlament nach Berlin zu verlegen, einen Teil der Regierung aber in Bonn zu lassen, ein verdruckstes Zugeständnis an alle, die in Bad Godesberg ihr Häuschen gebaut hatten, aber es war auch ein letzter Vorbehalt gegenüber dem Großen, Zentralen, darin notwendig Autoritären, insgesamt: Nationalen. „Mit dem Namen Bonn“, warb der Bonner Blüm für den Nicht-Umzug, „verbindet sich der längste freiheitliche und friedliche Zeitabschnitt unserer Geschichte“, und was sich, militärpolitisch gesprochen, mit dem Namen Berlin verbindet, muß hier nicht noch mal ausgeführt werden. „Es geht heute nicht um Bonn oder Berlin“, hielt derselbe Wolfgang Schäuble, der 23 Jahre später den russischen Staatspräsidenten mit Hitler vergleichen würde, dagegen, „sondern es geht um unser aller Zukunft, um unsere Zukunft in unserem vereinten Deutschland, das seine innere Einheit erst noch finden muß, und um unsere Zukunft in einem Europa, das seine Einheit verwirklichen muß, wenn es seiner Verantwortung für Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit gerecht werden will.“ Die Verantwortung für den Frieden hat längst der Kriegshetzer Gauck übernommen, „soziale Gerechtigkeit“ bedeutet praktisch gar nichts mehr und „Freiheit“ unterm Banner von Minijob und Leiharbeit bloß die Freiheit, zu sehen wo man bleibt. Die Einheit Europas, immerhin, ist verwirklicht, als antikommunistisch-antirussische unter deutscher Führung, während der deutsche Bürger Sarrazin liest und das Geld, das die deutsche Exportwirtschaft Europa abpreßt, in Manufactum-Gartenmöbel, Kleinkind-Weltreisen oder ähnlich hilflose Selbstverwirklichungsversuche stopft.

Damals war das vielleicht nicht unvorstellbar, aber die „Stimmungslage“ noch längst nicht so „massiv“ geschlossen wie heute, wo die Leut', von derlei Orwellschem Knalldummdeutsch beharkt, schon gar keine Worte mehr haben für das, was ihnen falsch vorkommen könnte. Daß es so kam und daß es so bleibe, dafür sorgte und sorgt der Boulevard, der längst nicht mehr nur Bild heißt. Sondern, man hat's geahnt, auch Süddeutsche Zeitung.




Eintrag versenden Newstickereintrag versenden…
Felder mit einem * müssen ausgefüllt werden.

optionale Mitteilung an den Empfänger:

E-Mail-Adresse des Absenders*:

E-Mail-Adresse des Empfängers*
(mehrere Adressen durch Semikolon trennen, max. 10):

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg