Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Kolonie der Liebe
Das wäre ja auch mal eine gute Frage: „Wo bekommen Sie eigentlich immer diese ganzen Ideen her?“ Und ich könnte antworten: „Von den fünf Minuten beim Dönermann, wenn ich auf mein Falafel warte und im ausliegenden Lesezirkel-Stern blättere.“ Und dann z.B. auf eine Karikatur stoße, an der wahrscheinlich wieder niemand Anstoß nimmt im Vaterland, das ja bekanntlich bis an die Grenze des Aushaltbaren aufgeklärt, liberal und ressentimentfrei ist.
Ich will nicht ausschließen, daß ich hier irgendwas nicht mitbekommen habe, aber wenn ich, einfach so und ohne weiteres, beim Dönermann diese Karikatur im Stern 25/2015 sehe und interpretieren sollte, dann ginge diese Interpretation doch wohl so: Der im deutschen Elmau stattgehabte G7-Gipfel hat nur vordergründig im deutschen Elmau stattgehabt. Das deutsche Elmau war nur eine Kulisse für ein Publikum, das nicht merken sollte, daß der Gipfel nur vordergründig in Bayern, eigentlich aber auf der USS (= United States Ship) Elmau stattfand, unter, versteht sich, Obamas Regie und Wortführung. Und unter seinen Waffen auch.
Die alte BRD im Kalten Krieg war ja so ein US-amerikanischer Flugzeugträger, und das Schönste an der Wiedervereinigung war ja nicht die Welle aus Trabis und schlechtfrisierten Soli-Kunden, sondern die Rückkehr zur nationalen Souveränität; daß man nicht mehr besetzt war, auch im Westen nicht mehr besetzt war. Schön, der Ami hatte uns „befreit“ und uns Kaugummi und Rock’n’Roll mitgebracht, aber Freiheit ist in Deutschland ja in erster Linie eine nationale, und die fehlte halt einigermaßen, ja fehlt, ausweislich einer Karikatur in einer großen deutschen Publikumszeitschrift, bis heute. Denn was der Deutsche tut, hat der Ami geplant, und wenn es einen deutschen Geheimdienst gibt, dann nur, um die NSA zu füttern.
Daß Antiamerikanismus und Antisemitismus Holz vom selben Stamm sind, hat Adorno vermutet, und es ist immer der deutsche Wahn, von fremden Mächten gesteuert, ausgebeutet, vergewaltigt zu sein: „Das Ergebnis des jüdischen Dolchstoßes: Neger badeten im Rhein“, blickte der SS-Mann Hans Hinkel, als Sonderbeauftragter im Propagandaministerium zuständig für den als Reservat, Zwischenlager und Feigenblatt gedachten „Kulturbund Deutscher Juden“, 1938 auf Versailles ff. zurück. „Deutschland war kein Staat mehr, sondern eine vom internationalen Judentum und seinen Bettgenossen beherrschte Sklavenkolonie, in der die schlimmste Niederrassen-,Kultur’ ihre verderblichsten Früchte trieb!“ Lange her. Heute ist man Zahlmeister der EU und darf auf Weltniveau nur das treiben, was der Negerpräsident Obama erlaubt.
„Jeder bekommt seine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später erst zeigt sich, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder auch Kostüme wechseln wie er will.“ Doderer, 1938
„Wie notdürftig die Barbarei im Zaum gehalten ist“, und zwar im vereinten Deutschland, sah schon 1992 der früh verstorbene, weithin vergessene Linkspublizist Eike Geisel; aus der verdienstvollen, freilich auch niederschmetternden Kompilation „Die Wiedergutwerdung der Deutschen“ (Edition Tiamat 2015) stammt auch das Zitat des Blutordensträgers Hinkel, das so vergangen nicht ist, wie uns Gauck und die Sachwalter des „Vierten Reichs der Moral“ (Geisel) immer weismachen wollen. „Israelkritik“, das scheint’s nicht ausgestorbene Gefühl, eine Kolonie der USA zu sein, die (auf der anderen Seite) asiatische Steppe, die sich schon wieder anschickt, das Abendland zu überrennen, dazu die griechischen „Ganoven“ (FAZ): die Reflexe aus Paranoia und Herrengemenschel sind noch ganz die alten, und es fällt schwer, das nicht unter Neurose zu buchen, der laut Freud ja stets eine narzißtische Kränkung zugrunde liegt, und sei’s die einer „verspäteten“ Nation aus ergebenen, stets nur zur Unmündigkeit erzogenen Untertanen.
Selbstbewußt ist an dieser Nation jedenfalls gar nichts. Fast möchte man’s bedauern.
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