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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Der Mut der Mehrheit

Er wird mir immer lieber, der Jasper von Altenbockum (FAZ): „Das harmlose ,Coming out‘ eines Fußballspielers hat sich innerhalb weniger Stunden zu einer Rocky Horror Hitzlsperger Show entwickelt. Mit gewohnter Eilfertigkeit setzen die üblichen Verdächtigen deutscher Gesellschaftspolitik zum Time Warp an, wir erinnern uns: Hände an die Hüften, Knie zusammen, das Becken drei Mal nach vorne. Die Schwarmintelligenten, angeführt von Manuela Schwesig, geben im deutschen Spukschloß eine köstliche Vorstellung, an der die ganz Schlauen kritisieren, daß wir das ja nur nötig hätten, weil wir Homosexualität noch immer als etwas Besonderes, nicht als die Norm, nicht als etwas Gleichberechtigtes, sondern als Verirrung, als Tabu und unnormal empfänden. Aber auch wer nicht mittanzt, ist ein Spielverderber, den ein homophobes Virus daran hindert. Der deutsche Michel darf es sich also aussuchen, warum er ein Schwulenfeind ist. Daß er es ist, soviel ist sicher.“ Der Altenbockum, soviel ist sicher, ist jedenfalls keiner, auch wenn er, als aufrechter Normalo und Familienvater, nicht so schwul timewarpmäßig angetanzt werden will von den Homos und ihren aufdringlichen Sachwaltern. 

„Die Time-Warp-Tänzer stellen sich Fußballstadien vor, wie sie sich Leute vorstellen, die noch nie eines besucht haben, und nehmen dann ihre Vorstellung als den Spiegel der Gesellschaft. Das überraschende Ergebnis: In Deutschland geht es nicht viel besser zu als in Rußland oder anderen Ländern, in denen sich Männer nur stark fühlen, wenn sie grölend Schwulen-Witze erzählen oder in schwulenfeindlichen Parlamenten diskriminierende Homo-Paragraphen abnicken lassen. Die Hitzlsperger-Show soll sagen: Sotschi ist überall.“ Die Hitzlsperger-Show ist aber, denk mal logisch, nur eine, weil der Männersport, wie er ist und nicht, wie ihn der Altenbockum sich vorstellt, noch gewisse Schwierigkeiten hat, Homosexualität nicht als etwas Besonderes und Verirrung zu empfinden, u.a. deshalb, weil er als Identifikationsangebot fürs Patriarchat fungiert, dessen größte Angst die zu sein scheint, Schwulsein könnte „die Norm“ werden. Was bei geschätzten fünf bis acht Prozent Homosexuellen der Überfremdungsangst in ostdeutschen Landstrichen gleichkommt, in denen sich drei Händevoll Fidschis verlieren.

„Für die große Mehrheit der Deutschen, die mit Homosexuellen so normal umgeht wie mit Heterosexuellen, ist das ein Schlag ins Gesicht. Es ist eine Form der Diskriminierung, die sich mindestens genau so rechtfertigen sollte, wie das die Politiker oder Geistlichen oder Eltern tun müssen, denen Homophobie unterstellt wird, nur weil sie eine abweichende Meinung haben, etwa über den künftigen Schulunterricht in Baden-Württemberg“, wo Homosexualität auf den Lehrplan soll, was auch schon wieder 60 000 ums Abendland besorgte Irre auf den Plan und die Barrikaden gerufen hat.

„Konrad: Also Homosexualität ist an sich nichts Verwerfliches, sie … äh... wird nur von der Gesellschaft mit ihrer Scheinmoral … äh …
Ramon (nebenan): NA LOS! LECK MIR ARSCHLOCH! KOMM HER!“

Ralf König, 1992

Die große Mehrheit, die doch so normal mit der kleinen Minderheit umgeht, hat Angst davor, daß die kleine Minderheit ihr diktiert, was sie zu tun und zu denken hat. Der Altenbockum, eine Generation früher, hätte wahrscheinlich auch nix gegen das Prozent Juden gehabt; aber daß die sich, als Minderheit, überall spreizen und breitmachen, muß das sein? „Es sollte nicht so weit kommen, daß Mut dazu gehört zu sagen: ,Ich bin heterosexuell, und das ist auch gut so.‘“

Der reine Wahn; und also schwer zu glauben, daß der Schlag ins Gesicht, den Altenbockum hier so unverfroren herbeihalluziniert, nicht einfach Projektion ist. Denn die Definitionsmacht darüber, was Toleranz sei und was „die blinde Anerkennung jedweden Interesses“, die bleibe bitte bei der Mehrheit. Wo sie ja auch gut aufgehoben ist: „Wie ernst die Gefahr ist, dokumentiert [der Leiter eines Berliner Anti-Homophobie-Projekts] anhand von Fotos von Opfern: Fünffach gebrochene Kiefer, tiefe Schnittwunden im Gesicht und am Körper sind da zu sehen. ,Die Bedrohung gehört zur Alltagserfahrung bei Schwulen und Lesben […]‘ Dabei muß das Ausmaß an Gewalt gegen Homosexuelle enorm sein: In [einer] Umfrage gaben mehr als 40 Prozent der Schwulen an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate Gewalt erlebt zu haben. Am häufigsten betroffen sind junge Homosexuelle“ (SZ, 17.5.2010).

Die halt bitteschön aufhören sollen, durch bloße Existenz die Mehrheit zu diskriminieren.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg