Aus Eugen Egners Püppchenstudio
Der Reichs-Püppchenwart empfiehlt:
Experiment in Studio 5
Das Taxi hielt vor dem neugotischen Tonstudio. In Edward Elgars alten Gehpelz gehüllt, begann ich auszusteigen. Der Fahrer machte mir währenddessen eine Spesen- oder Spendenbescheinigung aus seiner Mütze. „Hier ist noch unser Gesprächsprotokoll“, sprach er geflissentlich, als ich endlich komplett auf dem Gehweg stand, und steckte mir zusammen mit erwähnter Bescheinigung ein eng beschriebenes Blatt zu. Über die Kompliziertheit der von uns abgehandelten Materie staunend, ließ ich das Protokoll stillschweigend in der linken oder rechten Manteltasche verschwinden. Zum Abschied hob ich kurz die linke oder rechte Hand, dann begab ich mich aus eigener Kraft zum Portal des Tonstudios, ohne noch einmal zurückzublicken oder zu stürzen. Ich erklomm die vorgelagerten Treppenstufen zu der Tür, durch die schon viele vor mir gegangen waren. Weil mich nichts daran hinderte, begann ich einzutreten. Am Ende des angemessen sorgfältig erledigten Vorgangs fand ich mich in der prunkvollen Empfangshalle wieder. Ihr Anblick war mir vertraut, denn er hatte sich seit Elgars Zeit kaum verändert. Der einzige etwas später hinzugekommene Einrichtungsgegenstand war ein mannshoher luftdichter Glassturz, unter dem ich als toter Zwanzigjähriger aufbewahrt wurde (ich war in jungen Jahren bei einer ungeschickt durchgeführten Musikaufnahme ums Leben gekommen). Obgleich dem erstklassig konservierten Leichnam überhaupt nichts Unheimliches oder Abstoßendes eignete, wirkte die Konfrontation mit ihm immer etwas irritierend auf mich, der ich inzwischen fast siebzig war. Während sich meine gegenwärtige Leibesverfassung außen im Glas spiegelte, starrte ich auf meine vergangene im Inneren des Behälters. So jugendlich hatte ich einst ausgesehen, so viele Haare hatte ich gehabt! Dahin, alles dahin! Welch ein Jammer! ‚Existieren die Naturgesetze denn nur, um uns die Würde zu nehmen?’ dachte ich nicht ohne Grund.
Die Stimme des Sicherheitsbeamten riß mich jäh aus [Fortsetzung folgt!]
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