Humorkritik | April 2007

April 2007

Späthippie Goebel

Ein Buch, das seine besten Witze bereits auf der Broschur-Klappe verbrät, könnte ich vielleicht trotzdem gut finden, wenn diese besser wären als »Ich bin in einem schwierigen Alter, und das seit 19 Jahren« oder »Zukunft ist, was es zum Abendessen gibt« – und wenn der mit Abstand größte Lacher dieses Buches nicht von einem anderen Schriftsteller käme, von Tom Robbins nämlich, der hier für Joey Goebel die PR-Patenschaft übernimmt: »Joey Goebel ist … einer dieser Ausnahmeschriftsteller, auf dessen Schädeldecke die Sprachelfen mit ihren Zauberstäben herumgetrommelt haben.«

 

Haben sie nämlich nicht. »Freaks« (Diogenes), das neue Buch der großen weißen Hoffnung aus den USA, ist sprachlich schlicht bzw. gar nicht der Rede wert. Vereinzelte Expressivitätspeaks sind immer ausgeliehen – einer seiner Protagonisten spricht gern in Zitaten. Und auch das wäre noch hinnehmbar, wenn beim Plot oder den Interaktionen des Personals etwas Komisches abfiele. Tut es aber nicht in erwähnenswertem Maß. Und das liegt vor allem daran, daß man das Kalkül dieses Romans zehn Meilen gegen den Wind riecht.

 

Goebel zeichnet seine Protagonisten als Stereotypen und bricht diese, indem er sie mit einer – genau einer! – Zusatzeigenschaft versieht, die dann, herrlich gegensätzlich und putzig, echte Freaks aus ihnen machen soll: Ray ist Iraker, hat im 1. Golfkrieg gekämpft und liebt die USA; Ember ist eine sehr süße, sehr gewalttätige Achtjährige; Opal eine achtzigjährige Nymphomanin; Aurora eine ziemlich scharfe, aber frigide Ex-Stripperin. Und Luster, dieser asketische Afroamerikaner, jongliert eloquent mit den großen Autoren der abendländischen Geistesgeschichte. Das muß man sich mal vorstellen: ein philosophisch beschlagener Neger! Zum Brüllen! Diese fünf Nonkonformisten reiben sich hier am sozialen Mainstream und gründen zur Kompensation eine Band mit dem Namen, genau: die »Freaks«.

 

Zum einen entlarven Goebels Pappkameraden weniger die Klischees an sich als seine eigene einschlägige Fasziniertheit. Zum anderen sind seine Charaktere so hergesucht und penetrant sitcomaffin, daß man alle daraus resultierenden Konflikte und komischen Kapriolen entweder schon vorher erwartet oder doch hinterher als gängiges Schema erkennt. Da kann einen eben nichts mehr überraschen.

 

Und am Ende begeht diese 26jährige alte Oma von einem Romanautor auch noch den Kardinalfehler und erklärt ganz pädagogisch, was er will und meint und was das alles zu sagen hat, weil er diese literarische Uneindeutigkeit ja gar nicht mehr aushält. Welche eigentlich? Goebel singt noch einmal das Hohelied der Devianz und Individualität in einer uniformen Gesellschaft, als hätte es nie die Hippies gegeben, nee, als hätte er sich das alles gerade ausgedacht. Na, der traut sich was! Den Witz mit seinem Namen muß man sich ersparen, ist klar, aber soviel steht fest: Er würde ihn bringen!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt