Humorkritik | Februar 2022

Februar 2022

»Der Humor ist nie humoristischer, als wenn er sich selbst erklären will.«
Friedrich Hebbel

Only Oldschool

Auf die Serie »Only Murders in the Building« bin ich nur zufällig gestoßen – um dann festzustellen, dass fast jeder Kritiker, der sie gesehen hatte, ein wenig überrascht davon war, wie gut sie ihm gefiel. Ausnahmsweise mache ich da keine Ausnahme. Ich fühlte mich auf altmodische Weise bestens unterhalten.

Denn zunächst einmal bietet »Only Murders...« nichts Neues. Kriminalkomödien gibt es viele, neben einigen Spitzenerzeugnissen wie »Ladykillers« oder »Some Like It Hot« eben auch misslungene. Denn das Genre hat seine Tücken: Die Balance zwischen Spannung und Komik zu halten ist schwierig; wird die Geschichte zu fesselnd, bleiben für die Komik nur entlastende Momente; wird die Komik übermächtig, hat die Handlung bloß noch Alibifunktion. »Only Murders« steht in der Tradition von Filmen wie Alfred Hitchcocks »Rear Window« oder Woody Allens »Manhattan Murder Mystery«, das heißt: Am Anfang steht die Frage, ob überhaupt ein Verbrechen stattgefunden hat. Erst daraus ergibt sich ein klassischer Whodunit, ein Fall für drei Amateurdetektive.

Um die Serienspannung zu halten, dürfen die Autoren vor recht unwahrscheinlichen Wendungen nicht zurückschrecken. Ein beliebtes Mittel, solche Schwächen im Drehbuch zu kaschieren, ist die Besetzung. Je prominenter, desto besser: »Burn After Reading« oder »Knives Out« sind dafür Beispiele. Auch »Only Murders...« ist mit Steve Martin und Martin Short prominent besetzt, die bewährte Paarung – die zwei haben schon »Three Amigos« sehenswert und »Father of the Bride« erträglich gemacht –, bekommt durch Selena Gomez in der dritten Hauptrolle neuen Schwung. Gastauftritte absolvieren u.a. Tina Fey, Sting, Jimmy Fallon und wiederholt das Augenbrauenwunder Nathan Lane.

Aber der eigentliche Reiz dieser Serie liegt in ihrer sorgfältigen Machart, zu der alle Departements beitragen: Regie, Ausstattung, Musik, Kamera, Schnitt – die Optik ist makellos, das Tempo gelassen, jeder bekommt Zeit und Raum, seinen persönlichen Charme zu entfalten, und so entsteht, kurz gesagt: Stil. Wenn es stimmt, dass Steve Martin die Filmidee hatte, verdient er ein Sonderlob – auch dafür, dass er das Outrieren lange seinem Partner Martin Short überlässt und erst in der letzten Folge zeigt, was an Körperkomik noch in ihm steckt.

Mit jeder der zehn Folgen, jeweils eine knappe halbe Stunde lang, wuchs mein Wohlgefallen, und etwas Netteres kann man einer Serie doch kaum nachsagen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella