Inhalt der Printausgabe
August 2006
Humorkritik (Seite 2 von 11) |
Weltlachtag |
Jahrelang hatte ich das vom indischen Arzt Madan Kataria entwickelte Lachyoga und die stete Ausbreitung der Bewegung in Deutschland lediglich mit dem von mir entwickelten Kopfschüttelyoga begleitet, doch als ich am diesjährigen »Weltlachtag« in einem Ostberliner Plattenbau namens »Kreativhaus« das gelotomane Treiben der Lachclubanhänger erstmals aus unmittelbarer Nähe beobachtete, wurde meine Schreckenserwartung in derartigem Maße übererfüllt, daß mir das Kopfschütteln glatt im Halse steckenblieb. Die im Programm verzeichneten Tagesordnungspunkte »Lachfrühstück«, »Lachfahrt auf der Spree«, »Mittagessen: Lachsuppe mit Kichererbsen«, »Laughparade« und »Kinder-Lachyoga mit Lachulus aus Köln« wußte ich klug zu meiden, um meine Kräfte aufzusparen für die große Abschlußkundgebung »Lachen verbindet und schafft Frieden – Weltlachen mit aller Welt und allen Nationen, der Gruppe ›Krumm und Schief‹ und herzlich eingeladenen Politikern«. Dann galt es, das Kommando des Zeremonienmeisters zu befolgen und das Wort Dr. Katarias Tat werden zu lassen: »Lachen ist die universale Sprache, die Gemeinschaft erzeugt.« Diversen wildfremden Gegenübern war zum Zwecke der Scheinfraternisierung ins Auge zu blicken und dabei lauthals das Imitat eines herzlichen Lachens anzustimmen. Als das geschafft war, setzte es noch eine knappe Schlußansprache: »Ich wünsche euch allen, daß ihr das Lachen im Alltag entdeckt, und nicht nur bei Harald Schmidt oder irgendwelchen Zynikern.« Warum ich, weißgott kein Verächter des Lachens, weißgott ein Verächter der Lachbewegung bin, weiß ich jetzt noch etwas genauer als vorher: Lachen wirkt ja nicht deshalb befreiend, weil man dabei so schön mit dem Bauch wackelt, sondern weil es eine unübertrefflich wirksame Möglichkeit bietet, sich von den niederziehenden Zumutungen der Welt zu distanzieren. Diesen heilsamen Abstand gewinnt man freilich nicht durch gymnastische Lachübungen, sondern einzig durch die geistige Leistung, mit Hilfe eines komischen Blicks auf die eigene und fremde Existenz bedrückende Last in beglückende Lust zu verwandeln, mit einem Wort: durch Humor. Davon aber besitzen die Lachclubmitglieder (darin Kleinkindern, ihren erklärten Vorbildern, gleich) keinen Funken, ja nicht einmal eine entfernte Ahnung. |
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