Inhalt der Printausgabe

August 2006


Humorkritik
(Seite 5 von 11)

Greulicher Resturlaub
In seiner Satire »Alle Tiere sind schon da« beschreibt Ephraim Kishon ein Gespräch mit seinem Verleger. Der will ein Kinderbuch von seinem Autor, am besten eins mit Tieren. Doch alle Tiere haben schon je ein eigenes Buch, und zwar mit dem immer gleichen Abenteuer: »›Mecki-Meck brennt von zu Hause durch, fährt mit einem Jeep in die Stadt, erlebt verschiedene Abenteuer, entdeckt, daß es zu Hause doch am besten ist, und kehrt zu Mecki-Mami zurück.‹ – ›Auch die Bären?‹ – ›Das will ich meinen. Tommy der Eisbär brennt von zu Hause durch, erklettert einen Fahnenmast, erlebt alle möglichen Abenteuer, kommt dahinter, daß es zu Hause doch am besten ist, und kehrt zu Brummi-Papi zurück. Alles schon dagewesen. Hunde, Katzen, Bären, Ziegen, Kühe, Schmetterlinge, Zebras, Antilopen…‹«
Tommy Jaud, vormals Chefautor der Sat.1-»Wochenshow« und »Creative Producer« von Anke Engelkes »Ladykracher«, hat nun, gute zwanzig Jahre nach Kishon, endlich ein weiteres Tier entdeckt und das dazu passende Buch geschrieben: »Resturlaub« (Scherz). Sein Mecki-Meck heißt Peter »Pitschi« Greulich, ist Ende dreißig und PR-Manager einer fränkischen Brauerei. Er gerät in eine Lebenskrise, als sein Leben in bürgerlicher Mittelmäßigkeit zu ersticken droht: Sein bester Freund heiratet und will ein Häuschen bauen, die eigene Freundin hat mit Pitschi sehr ähnliche Pläne. Kurz vor einem Mallorcaurlaub mit der Clique flieht er Hals über Kopf nach Buenos Aires. Dort erlebt er einige Abenteuer, stellt fest, daß es zu Hause doch am schönsten ist, und kehrt reumütig zurück.
Die konfektionierten und zweidimensionalen Gags, die Jaud aufhäuft, sind kaum der Rede wert, und was einem Plot an Originalität mangelt, könnte ein geschliffener Stil halbwegs kompensieren. Doch leider ist auch davon bei Jaud rein nichts zu entdecken, ebensowenig wie von einem Lektorat seitens des Scherz-Verlags. So bleiben Rumpler wie »die Antipathie bestand seit Jahren auf Gegenseitigkeit« einfach im Text stehen, Phrasen wie »Manchmal ist das mit dem Deutschsein echt zum Kotzen« dito, und Klischees wie »tauche (ich) ein in ein von bunten Reklametafeln beleuchtetes Großstadtchaos« ebenfalls.
Immerhin hat Jaud offenbar seine Hausaufgaben gemacht und kennt sich in der britisch-amerikanischen Fernsehcomedy aus. Darauf deuten jedenfalls zwei Episoden hin, für die es prominente Vorbilder gibt: Erst befördert Pechvogel Pitschi den designierten Trauungspfarrer kurz vor der Hochzeit seines Freundes qua Unfall ins Krankenhaus, wie es in »Worst Week of My Life« (TITANIC 1/2006) geschieht, später bekämpft Jauds Hauptfigur ein Erektionsproblem auf exakt die Weise, die eine Figur namens Porno-Gil in der gleichnamigen Episode von »Curb Your Enthusiasm« beschreibt: indem er ein wenig Tabasco auf seinem Finger und diesen dann in seinem Rektum plaziert.
Größter und erstaunlichster handwerklicher Patzer bleibt allerdings, wie windelweich Jaud am Ende seines Romans ein hübsches kathartisches Element einfach zurücknimmt: Pitschi bricht in Buenos Aires überstürzt und bereits ziemlich am Ende seiner Kräfte auf, will schnellstmöglich zum Flughafen, wird während der Fahrt mit dem Taxi aber entführt. Ein Hauch von Spannung kommt auf, den Jaud aber umgehend vernichtet: Sein Entführer ist, Überraschung!, ein Halbargentinier, den Pitschi auf seinem ersten Flug kennengelernt hat, der sich umstandslos bei seinem Opfer entschuldigt, ihm sein Geld und seine Papiere zurückgibt, ihn dann zum Flughafen fährt und ihm sogar noch ein Ticket schenkt. Happy End.
»Wie wär’s mit einem Tiefseeschwamm?« fragt am Ende von Kishons Text der Autor seinen Verleger. »Ich fange sofort an. Lassen Sie den Schutzumschlag entwerfen: ›Theobald, der Tiefseeschwamm, geht in die Stadt‹.« Wie wär’s, Herr Jaud?



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg