Inhalt der Printausgabe
August 2006
Humorkritik (Seite 7 von 11) |
Rudi Carrell |
Mit dem Tod von Rudi Carrell fällt der Ruhm, der Deutschen beliebtester Holländer zu sein, wieder an Johannes Heesters zurück. Wie lange der noch gewillt ist, diese Bürde zu tragen, ist nicht bekannt. Die Reaktionen auf den Tod des Entertainers aus der Käsestadt Alkmaar fielen, von Seiten langjähriger Kollegen, bisweilen sogar kühl aus. Offensichtlich hat der als große Versöhnungsgeste gedachte Auftritt des krebskranken alten Mannes bei der letztjährigen Goldenen Kamera nicht alle Wunden geheilt, die der bei Konkurrenten und Kollegen geschlagen hatte. Da fühlt man sich versucht, ihn gegen seine Branche in Schutz zu nehmen, auch wenn seine humoristische Tätigkeit für meine Rubrik kaum relevant war. Auf der Habenseite kann Carrell für sich verbuchen, den Deutschen die Welt des Varietés gezeigt zu haben. Dabei trat er vorwiegend als Zwischenhändler auf: Viele seiner Gags importierte er aus dem angelsächsischen Raum. Er zeigte sich nicht immer geschmackssicher, aber fast alles, was er anbot, war besser als die bis dato in Deutschland üblichen Fernsehshows, die oft genug nur an Schunkeleien im Offizierscasino erinnerten. Auch hatte Carrell unbestreitbar einen Sinn für Komik, auch wenn er den, weil es ihm immer und überall um den Massengeschmack ging, oft verleugnete. Carrell hatte keine Mission, und Risiken ging er eher aus Versehen ein. Er wollte gefallen, fröhlich sein und singen, der Rest war ihm schnurz. Man kann über diese simple Ambition die Nase rümpfen. Wenn man sich aber andererseits vergegenwärtigt, daß sich beinahe jeder im Schaugeschäft ab einem bestimmten Alter dazu berufen fühlt, den Rest der Menschheit mit seinen Weisheiten zu belästigen, ist das schon fast wieder sympathisch; vielleicht sogar sehr. |
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