Humorkritik | März 2024
März 2024
»Lachen kann etwas sehr Machtvolles sein, denn manchmal ist das im Leben die einzige Waffe, die wir haben.«
Roger Rabbit
Show About Nothing
Ich will gar nicht so weit gehen zu sagen, eine Satire auf die bürgerliche Mittelschicht müsse ihr Satire-Sein selbst karikieren, weil jedes Zeit- oder SZ-Magazin voll ist mit ironischen Rekursen auf das komfortabel lächerliche Leben zwischen Designerküche, I-Phone und Bio-Schorle. Was ich aber mindestens verlange, ist, dass sie sich nicht mit ihrem Personal gemein macht, denn das heißt, sie macht sich mit ihrer Kundschaft gemein und einem Bedürfnis nach Kritik, das bloß eins nach Bestätigung ist.
Wer es gut meint mit »Wellness« (Piper), dem zweiten Roman des jungen US-Amerikaners Nathan Hill, dessen Debüt »Geister« schon ein Riesenerfolg war, mag ihm attestieren, er stelle auf der Metaebene die Erwartung von Publikum an Literatur (als eben Wellness) bloß, Psychologie plus Positivismus zu sein, also alles, was eh der Fall ist, getreulich noch mal aufzumalen und die Ironie nie weiter zu treiben, als sie urban versierten Gutverdienern als Kommunikationsmittel der Wahl vertraut ist. Die alte Erwartung an Kunst, sie müsse auch mal wehtun, wäre dann insoweit erfüllt, als ich Hills So-ist-die-Welt-von-heute-Quatsch für nicken wollende E-Zeitungskundschaft (heiße Eisen: Gentrifizierung, verhaltensauffällige Kinder, Selbstbetrug, Internet) nicht länger als bis Seite 100 ausgehalten habe, und auch das nur durch fleißiges Vorblättern. Wie Hill »seine perfekt geölte, barock verzweigte Geschichtenmaschine anrollen lässt und in ihrer Pracht vorführt« (Frankfurter Rundschau), wollte mir da auch eher als ein neuerlicher Abgesang auf die Great American Novel vorkommen, deren Idee mir bei Franzen schon überdehnt vorkam. Denn ich bin ein alter Mann, und soviel Zeit habe ich nicht mehr: mich tatsächlich bis Seite 730 vorzukämpfen, um festzustellen, dass ich nichts, wirklich gar nichts gelesen habe.