Humorkritik | April 2024

April 2024

»Die Verpflichtung gegenüber der Wirklichkeit führt zu einer Art Höflichkeit ihr gegenüber. Dem Leben, wie es nun einmal ist, gebührt Respekt. … Satirische Formen, im frühen Werk Thomas Manns noch gelegentlich anzutreffen, verlieren sich im späteren Schaffen beinahe ganz. Sie sind zu unhöflich.«
Hermann Kurzke

Zum Wohl des Planeten: Nulldiäten

Kann es eigentlich Kapitalismus geben, wenn es keine Menschen mehr gibt? Nein? Gut, also wenn wir den Kapitalismus abschaffen wollen, müssen wir eigentlich nur uns selbst abschaffen. Um dieses Verschwinden als höchste Form der Selbstoptimierung geht es in dem Film »Club Zero« von Jessica Hausner.

Die Geschichte spielt an einem Eliteinternat. Eine neue Lehrerin, Miss Novak, bietet einen Kurs in »bewusster Ernährung« an, alle sind begeistert, inklusive der Eltern, die sich vom Internat die Vervollkommnung ihres Nachwuchses und dessen letzten optimierenden Schliff erhoffen. Doch bald zeigt sich, dass die Vorstellungen der Pädagogin darauf hinauslaufen, ganz auf Nahrung zu verzichten. Die Begeisterung nimmt erwartungsgemäß schnell ab, aber mit fünf der Halbwüchsigen gründet Frau Novak letztlich eine Art Mini-Selbstmordsekte.

Als diskursives Gesamtkunstwerk mag »Club Zero« etwas zu indifferent und eklektisch sein, viele der Bilder und Sequenzen des Films sind, zumindest für sich genommen, aber durchaus scharfsinnig und oft auch komisch. Beispielsweise erlernen die Jugendlichen zunächst, sehr langsam Nahrung zu sich zu nehmen, jeden Bissen bewundernd anzusehen, daran zu riechen, ihn auf der Gabel zu lassen und noch einmal zu betrachten, bevor er verspeist wird. Das führt spätestens bei den Wochenendmahlzeiten mit ihren Familien zu Irritationen, weil den Eltern, die sich von dem Esskurs ja die vorbildliche Zurichtung der jungen Hoffnungsträger erwartet haben, langsam dämmert, dass deren Verhalten doch nicht so gesund sein dürfte. Die Figuren sind dabei weniger Charaktere als Idealtypen, der Film ist kein Erzählkino, sondern Satire: So reagiert die liebevolle Mama mit Verständnis, der autoritäre Vater mit Gebrüll, und in dem Maße, in dem die Kinder ihre neu erlernte Nicht-Esskultur zelebrieren, werden die eingeübten Verhaltensweisen der Repräsentanten der bürgerlichen Gesellschaft lächerlich und unangemessen. Am Ende des Films sehen wir die Eltern der Verschwindenden bzw. Verschwundenen gemeinsam an einem Tisch sitzen: ratlose, resignierte Erwachsene, deren getunte Sprösslinge lieber verhungern, als in die von ihnen hinterlassene Welt zu wachsen. Ein trauriges und zugleich lustiges Bild, das die spätkapitalistische Weltgesellschaft doch ziemlich treffend karikiert.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner