Humorkritik | April 2024
April 2024
»Die Verpflichtung gegenüber der Wirklichkeit führt zu einer Art Höflichkeit ihr gegenüber. Dem Leben, wie es nun einmal ist, gebührt Respekt. … Satirische Formen, im frühen Werk Thomas Manns noch gelegentlich anzutreffen, verlieren sich im späteren Schaffen beinahe ganz. Sie sind zu unhöflich.«
Hermann Kurzke
Stotzenhof revisited
Über Tedros, genannt »Teddy« Teclebrhan wusste ich schon einiges Gutes zu berichten (TITANIC 6 und 10/2022). Interessiert war ich deshalb, wie er sich in seiner neuen »Teddy Teclebrhan Show« macht.
Die Show läuft bei Amazon Prime, das verlangt von einem Menschen, der seine bescheidenen Anfänge gern und stolz erwähnt, natürlich eine gewisse Kompromissbereitschaft. Das fängt bei der Kulisse an, die wohl dem provinziellen Jugendzentrum »Stotzenhof« (in Mössingen) nachempfunden ist, das der Gastgeber in seiner Anfangsmoderation erwähnt. Nach arte povera oder Improtheater sieht das Set jedenfalls nicht aus. Teclebrhan selbst stören solche Unstimmigkeiten nicht: »Ich mag großes Entertainment mit viel Musik, Pyro und anderen Knalleffekten.« Improvisiert wirken die meisten Nummern auch nicht – aber der Eindruck ist in vorproduzierten Shows ohnehin schwierig zu vermitteln, zumal, wenn dahinter ein »Writers’ Room« sitzt, dem ein Autor vorsteht, der schon für Stefan Raab, Olli Dittrich, Anke Engelke, Carolin Kebekus, Maren Kroymann, Bastian Pastewka, Martina Hill et al. tätig war. Lieber verlässt sich Teclebrhan auf bewährtes Stammpersonal, erprobte Figuren, die er kontrolliert und als bekannt voraussetzt. Das darf er getrost, die Zuschauer im Studio reagieren lautstark auf die leiseste Andeutung einer komischen Absicht. Und das ist vielleicht das Schlimmste an der »Teddy Teclebrhan Show«: Ein Publikum, das beim bloßen Auftritt eines braven TV-Moderators wie Steven Gätjen in einen endensollenden Begeisterungstaumel verfällt, ist einfach zu nett, um wahr zu sein.
Doch sicher bestärkt es Teddy Teclebrhan in seinem Glauben: »Ich finde, Deutschland ist ein extrem schönes und wertvolles Land mit ganz vielen wunderbaren Menschen.« Eine gewisse Neigung zu solchen Wendungen, die eher in die Weizenbier- oder Lebensversicherungswerbung passen, könnte er sich – ginge es nach mir – ruhig abgewöhnen.