Humorkritik | Mai 2023

Mai 2023

»Ich habe durch mein ganzes Leben gefunden, daß sich der Charakter eines Menschen aus nichts so sicher erkennen läßt, wenn alle Mittel fehlen, als aus einem Scherz, den er übel nimmt.«
Georg Christoph Lichtenberg

I’m a Lumberjack and I’m okay

Mikko Myllylahti ist ein finnischer Drehbuchautor und seit neuestem auch Langfilm-Regisseur. Sein Regiedebüt »Die Geschichte vom Holzfäller« läuft derzeit in den deutschsprachigen Kinos, und obwohl der Film keine Komödie ist, sondern eher ein surreales Drama, lohnt sich ein Blick auf dessen komische Seite.

Myllylahti schert sich bei seiner »Geschichte« nicht allzu sehr um Kohärenz, Logik oder Wahrscheinlichkeit, lässt seinen Helden Pepe, den Holzfäller, und dessen kleinen Sohn vielmehr unmotiviert durch den Schnee der finnischen Taiga stapfen sowie durch alle Unannehmlichkeiten, die das Drehbuch bereithält. Und diese sind so zahlreich wie sonderbar: Wichtige Figuren verschwinden einfach, es gibt Mord, Selbstmord, eine Frau beömmelt sich bei der Lektüre von Sigmund Freud, und plötzlich taucht ein brennendes Auto mit magischer Anziehungskraft auf. Das alles ist komisch mindestens im Sinne von »merkwürdig« und »undurchsichtig«, aber eben auch im Sinne von »lustig« – beispielhaft Pepes stoisches Hinnehmen noch der krassesten Geschehnisse und der schlimmsten persönlichen Verluste. Schließlich läuft sogar sein kleiner Sohn, der ihm offenbar als Einziger nicht gleichgültig ist, zu einer Horror-Sekte über, aber auch das bewegt Papa Pepe nicht zu übermäßigem Aktivismus.

Schon der Filmtitel ist ein typischer, gewissermaßen dialektischer Fake, denn unser Holzfäller ist nicht das, was man sich klassischerweise darunter vorstellt; kein axtschwingender, eventuell warmherziger Grobian. Stattdessen ist er nur noch dazu da, die Maschine zu überwachen, bevor auch dieser Job schließlich wegrationalisiert wird. Nachdem das Sägewerk schließt, werden auch alle anderen Bewohner des winzigen finnischen Dorfes arbeitslos, und so beginnt überhaupt erst der ganze Schlamassel dieses Films, der ein bisschen wirkt wie ein um den heimeligen Mainstream-Sound bereinigtes »Fargo« und der die existenziellen Fragen, die er stellt, mit der totalen und unausweichlichen Tristesse spießbürgerlicher Gesellschaftsrituale vermittelt. Etwa dann, wenn sich zwischen Pepe und seinem besten Freund, einem kleinbürgerlichen Arbeiter, sowie einem »revolutionär« angelegten Kollegen folgender Dialog entspinnt: »Wir versammeln uns, um Fragen der Existenz zu diskutieren.« – Pepe: »Was sind das für Fragen?« – »Wer sind wir? Woher kommen wir? Wohin gehen wir?« – Kleinbürgerlicher Arbeiter: »Mir gefällt die Idee, aber wir haben andere Pläne. Kaisa hat Maija und mich zum Abendessen eingeladen.«

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt