Humorkritik | Mai 2023

Mai 2023

»Ich habe durch mein ganzes Leben gefunden, daß sich der Charakter eines Menschen aus nichts so sicher erkennen läßt, wenn alle Mittel fehlen, als aus einem Scherz, den er übel nimmt.«
Georg Christoph Lichtenberg

Coogans bester Mann

Seit mehr als 30 Jahren lässt der britische Schauspieler und Komiker Steve Coogan sein Alter ego Alan Partridge – bekannt aus dieser Rubrik resp. diversen Britcom-Spezialausgaben – auftreten: im Radio, im Fernsehen, in Büchern, auf der Bühne. Die Formatwechsel und die wohldosierten Pausen, die jedem neuen Partridge-Vehikel vorangehen, sorgen dafür, dass der fiktive Moderator und seine ewig peinliche Sucht nach Pathos, Glamour und Anerkennung kaum Abnutzungserscheinungen aufweisen. Im Gegenteil: Auf seiner jüngsten Tournee konnte man den 57jährigen Coogan noch quirliger, seine Kunstfigur noch frischer erleben als in der Bühnenshow »Steve Coogan Live: As Alan Partridge and Other Less Successful Characters« (2009, auf DVD): Es wird gesungen, gerappt, geklettert, es gibt Musicalduette, Publikumsinteraktion, Powerpointpräsentationen, Schattentanz, Verkleidungen, Videoeinspieler und zahlreiche Gespräche; wobei Alan nicht nur sich selbst (via »Zeitreise«) interviewt, sondern z.B. auch – ein Schmankerl für Langzeit-Partridge-Fans – seine Serienpartnerin Lynn sowie seinen irischen, Volksweisen- und IRA-affinen Doppelgänger Martin. Als One-Man-Act sind die 80 Minuten mithin schwerlich zu bezeichnen, sie fügen sich zu einer hysterisch-hyperinszenierten Varieté-Nummer, zu einer atemlosen Gala des Fremdschämens. Als loses Gerüst dient eine Art Selbsthilfeseminar bzw. die mit Phrasen garnierte Anpreisung eines Programms namens »Stratagem«, das der selbsternannte Life-Coach Partridge entwickelt hat.

Was es mit »Stratagem« – so auch der Name der Tour – auf sich hat, finden Sie am besten selbst heraus – sofern Sie überhaupt einen Mitschnitt aufzutreiben imstande sind, denn eine Heimkino-Veröffentlichung lässt auf sich warten, und zu streamen ist die Schau außerhalb des United Kingdom allenfalls mit halblegalen Technikzaubereien. Eine Schande!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg