Humorkritik | Mai 2023
Mai 2023
»Ich habe durch mein ganzes Leben gefunden, daß sich der Charakter eines Menschen aus nichts so sicher erkennen läßt, wenn alle Mittel fehlen, als aus einem Scherz, den er übel nimmt.«
Georg Christoph Lichtenberg
Hägar 50
Print stirbt, heißt es, doch immer noch erscheinen rund um den Globus Hägar-Strips. Zum 50. Geburtstag ist jetzt bei Egmont ein dicker, mit viel Erklärtext versehener Best-of-Band herausgekommen, der chronologisch, nämlich nach Dekaden vorgeht, und Zyniker mögen finden, dass der Wikinger, in dem sich der zwar moderne, aber doch immer gleiche Mittelschichtsmann verbirgt, den Tod seines Mediums seit 20 Jahren vorausstirbt.
Hägars Erfinder Dik Browne war gesundheitlich schon ab Ende der achtziger Jahre nicht mehr in der Lage, seinen fein-trockenen Strich zu setzen, der dem doch recht konventionellen, familiären Hägar-Witz rund um Haushaltspflichten, Arbeitsstress und Steuerschulden etwas dezidiert Unmiefiges, Universelles, Existenz als den Fjord zwischen Anspruch und Wirklichkeit Beleuchtendes gab. Sohn Chris machte zwar immer noch Witze im Sinne des Vaters, begann aber schon, jovial zu werden und Pointen zu markieren, indem die Figur, die den Gag nicht setzt, erstaunt aus dem Bild ins Publikum blickt; und das Kollektiv, das seit des Jüngeren Rückzug das Dutzend Hägar-Geschichten in immer neuen Variationen zu erzählen versucht, kommt gegen die Tatsache nicht mehr an, dass es vielleicht 15 000 mögliche Witze gibt, aber nicht in dem, was der Band (der die Ermüdungserscheinungen übrigens offen benennt) »Hägarversum« nennt. Schon weil die Zeit männlichen Alleinverdienertums ja eher vorbei ist.
Das hindert nicht, dass einer meiner ewig liebsten Witze von Hägar stammt, nämlich der, wo der trottelige Sven Glückspilz in der Schenke Fisch bestellt: »Fisch ist gut fürs Gehirn.« Sagt Hägar zum Ober: »Bringen Sie mir ein Steak.« Muss man freilich sehen; wenn auch anderswo, denn im Band, da fehlt er.