Humorkritik | April 2023
April 2023
»You have to play it straight. In comedy, the moment the audience sees that you know what the joke is, it’s over. They’re not gonna laugh.«
Leslie Nielsen
Leg dich nicht mit Nero an!
Robert Schwentke ist einer der wenigen etablierten deutschen Hollywoodregisseure, mit Ruhm hat er sich (und den Ruf der hiesigen Filmkunst) mit den meisten seiner Action-Reißer allerdings bisher nicht bedeckt; am besten waren noch seine niedriger budgetierten Filme. Schwentkes neues Werk »Seneca – Oder: Über die Geburt von Erdbeben« beschäftigt sich nun mit dem titelgebenden altrömischen Senator, Philosophen und Dramatiker, der zunächst als Lehrer Neros auftrat, sich später aber dessen Missgunst einhandelte, weil er den brutalen Kaiser zu Mäßigung und Barmherzigkeit anhielt – bis Nero Seneca zum Selbstmord aufforderte (um ihm eine noch schlimmere Todesart zu ersparen).
Schwentkes Film lässt den Senator, gespielt von John Malkovich, vor allem sehr ausschweifend räsonieren. Wortreich fordert Seneca die dekadente römische Oberschicht zum Verzicht auf, handelt sich dabei aber die berechtigte Kritik ein, selbst einer der reichsten Männer Roms zu sein und sich nicht an die eigenen Moralvorstellungen zu halten. Nach »Triangle of Sadness« und »The Menu« ist »Seneca« der dritte neuere satirische Film, der die Herrschenden, die »Elite« zum Ziel seines Spottes macht, und daran, dass er als Parabel zu verstehen sein soll, v. a. auf die USA, lässt Schwentke keinen Zweifel (Nero wird mit »Mr. President« angesprochen). Mehrmals sollen Verfremdungen, etwa Strommasten oder ein an die Wand gesprayter Panzer, auf die Aktualität des Films verweisen, was in etwa so subtil ist wie der Umstand, dass Seneca in einem Theaterstück zwei schwarze Kinder live ermorden lässt, während die genervten Edel-Zuschauer bar jeder Empathie raunen: »Ich hatte es befürchtet, schon wieder was Politisches.«
Das Ganze endet damit, dass auch Senecas Selbstmord nicht recht funktionieren will: Der Körper des Bonzen ist längst so tot wie seine bigotte Moral und kann doch nicht sterben. Das beschreibt zwar durchaus treffend auch die bürgerlichen Ideologieproduzenten, ist aber als Befund eben nicht sonderlich originell. Das redundante Gerede und die allzu offensichtlichen Absichten der Regie haben mich doch stark ermüdet. Der Film ist, soviel kann man mit Sicherheit sagen, zu lang.