Humorkritik | April 2023
April 2023
»You have to play it straight. In comedy, the moment the audience sees that you know what the joke is, it’s over. They’re not gonna laugh.«
Leslie Nielsen
Everything Goes
Der erfreulichen Tatsache, dass bei den diesjährigen Academy Awards ein komisch gemeinter Film gleich sieben Oscars abgeräumt hat – darunter die drei Hauptgewinne Bester Film, Beste Regie und Bestes Drehbuch – steht meine Erfahrung entgegen, dass »Everything Everywhere All At Once« mich nicht zum Lachen gebracht hat.
Bei Amazon ist er für fünf Genres nominiert: Science Fiction, Fantasy, Abenteuer, Action und eben Komödie. Um sich die letzte Kategorisierung zu verdienen, sind den Autoren und Regisseuren Daniel Kwan und Daniel Scheinert alle Mittel recht: groteske, absurde, alberne, parodistische etc. Anything goes. Dabei verstoßen sie allerdings gegen zwei Grundregeln der Filmkomödie: Erstens sind Überraschungen an sich nicht komisch, sondern auf Dauer eher ermüdend. Und zweitens verlangt das Konstrukt der unendlich vielen Paralleluniversen so viele Erklärungen, dass der Zuschauer sehr aufmerksam sein muss, um die Regeln nur ansatzweise zu verstehen – und die Konzentration auf das Was verträgt sich wiederum nicht mit dem Vergnügen am Wie: Wer damit beschäftigt ist, den Verstrickungen der gehetzten Handlung zu folgen, kommt nicht zum Lachen. Das ist (wie ich vom Hörensagen weiß) ganz ähnlich wie bei Computerspielen. Es geht in »Everything …« angeblich darum, die Welt zu retten – wie diese Welt aussehen soll und was daran rettenswert wäre, bleibt unklar. Wer sich indes gar nicht um diese Art von Spielen und deren Konstruktion kümmert, sieht nur mehr oder weniger slapstickartige Actionszenen im Stil von Martial-Arts-Filmen und hört zwischendurch existenzialistische Diskussionen über den Sinn des Lebens, wie sie aus ernstgemeinten ScienceFiction-Epen wie »Space Odyssey« oder »The Matrix« bekannt sind, und die am Ende auf zwei sehr schlichte Erkenntnisse hinauslaufen: »Nothing matters« und »All you need is love«.
Kwan und Scheinert beschließen ihren überdrehten Dreiakter nämlich mit einem Happy End, das besser für ein Melodram getaugt hätte und letztlich den ganzen Aufwand nicht lohnt.