Humorkritik | April 2023
April 2023
»You have to play it straight. In comedy, the moment the audience sees that you know what the joke is, it’s over. They’re not gonna laugh.«
Leslie Nielsen
Berühmt durch Eiter
Die dänische »Non-Rom-Com« (Selbstbezeichnung) »Sick of Myself«, seit dem 23. März in den Kinos, zeigt auf den ersten Blick nichts weiter als eine Beziehung, in der beide Partner einander übertrumpfen wollen, die eigenen Glanztaten übertreiben und die Erfolge des anderen relativieren. Was aber in einer typischen Beziehungskomödie zu einem harmlosen Screwballspiel mit versöhnlichem Ende geraten würde, führt hier in die Klemme, ja in Abgründe. Aber zur Sache: Signe fühlt sich neben ihrem einigermaßen erfolgreichen Freund Thomas, der seine Kleptomanie zur Kunst erhebt, indem er geklaute Designerstühle ausstellt, unterschätzt und unsichtbar. Ihre Versuche, aus Thomas’ Schatten zu treten und sich in den Vordergrund zu drängen, haben zunächst noch gewissermaßen experimentellen Charakter, etwa wenn sie bei einem Abendessen anlässlich seiner ersten größeren Ausstellung eine Nussallergie samt Ohnmacht vortäuscht. Bald aber nimmt nicht nur ihr vermeintliches Übersehenwerden (das manchmal ein echtes, manchmal auch ein sehr lustiges ist) überhand, auch ihre Geltungssucht wird mählich obsessiv. Schließlich besorgt sich Signe im Darknet Beruhigungstabletten, die als Nebenwirkung eitrige Hautirritationen hervorrufen, dosiert diese dauerhaft über, und tatsächlich steigt die ihr zuteilwerdende Aufmerksamkeit mit dem zunehmenden Grad ihrer mutwillig herbeigeführten Entstellung, bis sogar die Aufmerksamkeitsindustrie auf sie, nun ja: aufmerksam wird.
Besonders lobenswert erscheint mir an diesem Film zweierlei: Zum einen der pessimistische, bisweilen böswillige Realismus, mit dem Regisseur Kristoffer Borgli auf die urbanen Karrierehanseln blickt; zum zweiten, wie konsequent er in seiner Analyse bleibt, die die Ursache von Signes groteskem und selbstzerstörerischem Narzissmus vornehmlich darin erblickt, dass sich die durch das spätkapitalistische Monadentum hervorgerufene Vereinzel- und Vereinsamung auch durch »stabile Zweierbeziehungen« nicht so einfach überlisten lässt. »Sick of Myself« zeigt eine Welt voller Menschen, die ihrem persönlichen Fortkommen wie selbstverständlich auch ihre engsten Beziehungen unterordnen. Das hat durchaus komische Züge, jedenfalls solange man sich in sicherer Entfernung befindet: im Zuschauerraum des Kinos. Zu Hause sieht’s dann möglicherweise wieder anders aus.