Humorkritik | Oktober 2022

Oktober 2022

»Das Lächerliche ist so leicht zu schreiben, daß es eigentlich niemals mißlingen kann; unsre ernsthaftesten Schriftsteller geben das Beispiel.«
Friedrich Hebbel

Versäumtes Lob

Vor Kurzem besuchte ich die »Doppel-Gala« des befreundeten Sondermann-Vereins, der das komische Werk Bernd Pfarrs ehrt, indem er aktuelle komische Künstler ehrt (Gendern in diesem Fall unnötig; aber das ist ein Problem für ein anderes Mal). Eine Doppel-Gala war es deshalb, weil die Corona zum Opfer gefallene Preisverleihung des vergangenen Jahres mit der des Jahres 2022 nachgeholt wurde. So sollte es gleich vier (bzw. fünf) Geehrte geben: die Hauptpreisträger Hauck & Bauer und Sven Regener sowie die Förderpreisträger Shahak Shapira und Tedros Teclebrhan. Fast alle bekamen angemessene Laudationes. Nur nicht Teclebrhan; der durfte stattdessen über seine untypische, für seine komische Kunst jedoch nicht sonderlich relevante Herkunft plaudern. Er ist ein in Eritrea geborener Schwabe.

Ein Versäumnis, so unangemessen wie schade. Weswegen hier der Lobpreis nachgeholt sei: Tedros »Teddy« Teclebrhan verbindet mit Pfarrs »Sondermann«-Figur mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Während Sondermann in der Witzklischeewelt der alten Bundesrepublik lebte und dabei biedere Komik in höheren Nonsens verwandelte, macht Teclebrhan nicht selten Ähnliches mit deutschen Comedy-Klischees: Er kennt all die Muster und Rollen, ist aber in ihnen komischer als der Durchschnitt, weil er sie nicht stur ausfüllt, sondern sich immer dort für bessere oder idiosynkratische Pointen entscheidet, wo andere im erwartbaren Rahmen bleiben. Es ist kein Wunder, dass Teclebrhan im Amazon-Erfolgsprogramm LOL auffiel (zumindest mir, siehe TITANIC 6/22). Und es ist auch nicht verwunderlich, dass er nicht für eine weitere Staffel zurückgekehrt ist, trotz vermutlich hohen Gagenangebots. Teclebrhan weiß, wann ein Witz durchgespielt ist, und sucht dann lieber einen neuen. Auch darum sind seine Parodien und Imitationen selten nur das, sondern auch Parodien von Parodien selbst: Sie schweben über dem jeweiligen Gegenstand, wollen über diesen aber nicht mehr erzählen, als fürs Lachen notwendig ist. Teclebrhan ist so wenig »Satiriker« wie Bernd Pfarr einer war; statt durch Witze läutern zu wollen, wird eine dezidiert nicht-satirische komische Welt geschaffen, in der alle Figuren nur solange ihren Verwandten aus der »echten« Welt ähneln, wie diese Komik abwerfen. Danach werden sie Gast einer eigentümlicheren, im Falle Teclebrhans: erhebend albernen Welt.

Ich habe keine Ahnung, welche Rolle Teclebrhans Herkunft für seine Kunst spielt. Es interessiert mich als Humorkritiker auch nur am Rande, weil alle immer geprägt sind von dem, wie sie aufgewachsen sind. Interessanter ist, dass Teclebrhan mehr komische Figuren zur Verfügung stehen als dem Norm-Schwaben. Und dass er sie zu nutzen weiß. Dafür bin ich als Freund guter Komik dankbar.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Was soll das, Ameisen?

Was soll das, Ameisen?

Wie Forscher/innen herausfanden, seid Ihr in der Lage, bei Artgenossinnen Beine durch Abbeißen zu amputieren, um so tödliche Infektionen zu vermeiden. Chirurgische Eingriffe! Geht’s noch? Habt Ihr Euch mal überlegt, wie es uns damit geht? Als Spezies, die für ihren jetzigen Stand in der Medizin Jahrtausende an Forschung gebraucht hat?

Fragt pikiert die Krone der Schöpfung auf der Titanic

 Heda, »FAZ«

»Schlechte Politik verhindert Fortschritt« – das stimmt. Aber ist das nicht haargenau die Politik, für die Du immer trommelst?

Fragt schlecht und recht Titanic

 U sure, Jürgen Klopp?

U sure, Jürgen Klopp?

Nachdem Sie Ihren Posten beim FC Liverpool niedergelegt haben, halten Sie sich in Sachen Zukunftspläne bedeckt. Nur so viel: »Ich werde irgendwas arbeiten. Ich bin zu jung, um nur noch Padel-Tennis und Enkelkinder zu machen.«

Keine Ahnung, wie Sie sich den typischen Alltag im Ruhestand so vorstellen, Kloppo. Doch wenn Menschen fortgeschrittenen Alters Nachwuchs zeugen, heißt das Ergebnis – zumindest in den meisten Fällen – »Kinder« und nicht »Enkelkinder«.

Schwant Böses: Titanic

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 Tagesschau.de!

»Sei nicht immer so negativ!« wollten wir Dir schon mit auf den Weg geben, als Du vermeldetest: »Juli stellt knapp keinen Temperaturrekord auf«. Auf Schlagzeilen wie »Zehnkämpfer Leo Neugebauer erringt in Paris knapp keine Goldmedaille«, »Rechtsextremer Mob erstürmt im nordenglischen Rotherham knapp kein potentiell als Asylunterkunft genutztes Hotel« oder »19jähriger Islamist richtet bei Taylor-Swift-Konzerten in Wien knapp kein Massaker an« hast Du dann aber doch verzichtet.

Es gibt sie also noch, die positiven Nachrichten.

Vor allem von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Unwirtliche Orte …

… sind die ohne Kneipe.

Günter Flott

 Bilden Sie mal einen Satz mit »AKW«

Der Bauer tat sich seinen Zeh
beim Pflügen auf dem AK W.

Jürgen Miedl

 Schierlingsbücher

Kaum jemand erinnert sich an das allererste selbstgelesene Buch. War es »Wo die wilden Kerle wohnen« oder doch Grimms Märchen? Schade, denke ich mir. Es könnte eine Wegmarke in die wunderbare Welt der Bibliophilie sein. In meiner Erinnerung wabert stattdessen leider nur ein unförmiger Brei aus Pixibüchern. Diesen Fehler möchte ich am Ende meines Leselebens nicht noch einmal machen. Und habe mir das Buch »Essbare Wildpflanzen« bestellt.

Teresa Habild

 Hä?

Demenz kennt kein Alter.

Moppel Wehnemann

 Europa aphrodisiakt zurück

Wenn es hierzulande etwas im Überfluss gibt, dann verkalkte Senioren und hölzerne Greise. Warum also nicht etwas Sinnvolles mit ihnen anfangen, sie zu Pulver zerreiben und in China an Tiger gegen Schlaffheit der Genitalien verkaufen?

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

  • 13.04.:

    HR2 Kultur über eine TITANIC-Lesung mit Katinka Buddenkotte im Club Voltaire.

Titanic unterwegs
13.09.2024 Stade, Schwedenspeicher Ella Carina Werner
14.09.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst Bernd Pfarr: »Knochenzart«
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer
17.09.2024 Stadthagen, Wilhelm-Busch-Gymnasium Wilhelm-Busch-Preis Hilke Raddatz mit Bernd Eilert