Humorkritik | Oktober 2022

Oktober 2022

»Das Lächerliche ist so leicht zu schreiben, daß es eigentlich niemals mißlingen kann; unsre ernsthaftesten Schriftsteller geben das Beispiel.«
Friedrich Hebbel

Vom Sinnen=Rang und Quarten=Klang

Der barocke Schwulst kann wie jede Übertreibung komisch sein und nicht nur dort, wo man die Kirchenschiffe mit ihm vollstopfte; sondern auch im Schrifttum. Das beweisen beispielsweise die Titel der Bücher, die als einer von vielen der Hamburger Komponist und Musikgelehrte Johann Mattheson (1681–1764) schrieb, etwa »Das Forschende Orchestre«, das ist »Der Beschirmte Sinnen=Rang. Und der Schmeichelnde Quarten=Klang / Allen unpartheyischen Syntechnicis zum Nutzen und Nachdenken«. Mit Lehrbüchern wie diesem warb der Musikus für eine »musicalische Republic«, die jene »Sphaeral-Music« ersetzen sollte, die untertänigst zur Ehre der Majestät Gottes erklinge und angeblich die Harmonie des Universums wiedergebe – und als Ausdruck einer »blossen Fantasie«, so Mattheson, einen vernünftigen Menschen platterdings dazu bringe, »sich in die Leffzen zu beissen«: Seinem Konkurrenten, dem universalgelehrten Jesuiten Athanasius Kircher, sei es gelungen, »endlich den Charactere eines Idioten mühsam erlanget« zu haben.

Kircher hing noch Pythagoras’ Sphärenharmonie mit ihren festen Zahlenverhältnissen der Terz, Quinte und Oktave an, und dass er wie die Pythagoreer sein Gehirnschmalz auf den Streit verschwendete, welches der drei Intervalle das beste sei, dünkte Mattheson, »als wenn einer sagen wollte: Der mittelste Finger sey der vornehmste / weil der längste. Ein anderer spräche dann: Der Daumen gelte mehr / weil er der dickeste. Und der dritte wollte behaupten: Dem Gold-Finger gehöre der Rang / weil ihn / nach der Mediocrum Meinung / eine Ader des Herzens berühre.« (Kleine Anmerkung: Der Goldfinger ist in unserer modernen Prosa der Ringfinger.)

Temperamentvoll, polemisch und unverblümt, weshalb er 1703 sogar ein Duell mit dem nachmaligen Fürstenknecht Georg Friedrich Händel riskierte, warb der wackere Mattheson für eine Musik, die nicht starren Regeln folgt, sondern den Empfindungen vertraut, und versuchte es als Komponist von Opern, Oratorien und Kammermusik vorzumachen: »Wem die darin, aus guten Ursachen, erwehlte Ordnung nicht anstehet, der mach sich immer eine andre: meinen Willen hat er dazu vollkommen.« Was nicht nur für die Musik gilt – oder man läuft Gefahr, endlich den Charactere eines Idioten zu erlangen.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.11.2023 Stuttgart, Theaterhaus Max Goldt
30.11.2023 Erfurt, Franz Mehlhose Max Goldt
30.11.2023 Friedrichsdorf, Forum Friedrichsdorf Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer