Humorkritik | Juni 2022

Juni 2022

»Wenn jemand fragt, wo hört Satire auf, würde ich sagen, das weiß ich nicht – aber ich weiß, wo sie aufhört, verstanden zu werden: direkt hier, am Zaun von meinem Nachbarn.«
Gerhard Polt (80)

Murks mit Aussicht…?

Habe ich die Crime-Comedy »Mord mit Aussicht« nach ihrer zweiten Staffel noch sehr gelobt, vor allem was die »liebevolle und detailreiche Zeichnung der Figuren« und die wunderbaren Schauspieler betraf (TITANIC 3/2013), so muss ein gerechtes Urteil nach der neuen, spät nachgereichten vierten Staffel leider anders ausfallen; nicht gerade vernichtend, aber auch nicht so himmelhoch jauchzend, wie sich das Jörg Schönenborn von der ARD zusammenfantasiert: »Nach sieben Jahren ohne ›Mord mit Aussicht‹ nahtlos an den Erfolg anschließen zu können, ist ein sensationelles Ergebnis.« Erfolg, was die Quote anlangt: vielleicht; Erfolg, was die Qualität anlangt: vielleicht nicht.

Worum geht’s? Kommissarin Marie Gabler wird in die notorische Polizeiwache Hengasch versetzt, um dort für Ordnung zu sorgen. Sie trifft auf ihre neuen Kollegen, Polizeioberkommissar Heino Fuß (»Fuß, wie Hand…«) und Kommissarsanwärterin Jenny Dickel (»Dickel wie … Dickel«). Der eher passive Einstieg Gablers nimmt nur wenig Fahrt auf, und ein Oberkommissar Fuß mit manifester Leseschwäche, der nur deshalb nicht bei der Bahn gelandet ist, »weil man da immer im Zug steht«, macht es auch nicht besser – oder gar lustiger. Im Übrigen sind aus dem früheren Ensemble fast nur noch Ex-Polizist Zielonka und Frau Schäffer übrig geblieben, die man mangels Bjarne Mädel flugs zur Witwe gemacht hat.

Da ich hier nicht jede Episode und jeden Dialog extra bekritteln möchte, beschränke ich mich pars pro toto auf die Folge »Hackestüpp«, eine verblüffend wahllose Aneinanderreihung von Film- und TV-Zitaten. Marie erwacht zu den Weckerklängen von »I got You Babe« (»Groundhog Day«). Ein Schäfer findet seine Schafherde massakriert vor (das finale »Schweigen der Lämmer«). Das kann kein Wolf gewesen sein (was er am Ende doch war), sondern der sog. Hackestüpp, eine Art Werwolf-Monster-Mix, ein Wesen aus Hengaschs dunkler Vergangenheit: »Es gab hier Vorfälle. Aus den Vorfällen wurden Geschichten, aus den Geschichten Legenden.« Der »Herr der Ringe« lässt grüßen. Danach gehen die Dorfbewohner auf Monsterjagd wie bei »Frankenstein«, und am Ende gibt’s noch eine Prise »Dallas« obendrauf, denn (fast) alles war nur Maries böser Traum; oder doch nicht? Das Ganze ist jedenfalls ein derart idiotischer Humbug, dass ich zeitweise Angst hatte, mein Hirn könnte ernst- und dauerhaft Schaden nehmen. Erwähnt sei noch Maries aufgepappte stürmische Affäre mit dem Schweinebauern Gisbert, dem vermeintlichen Hackestüpp, der ca. ein Drittel des Films mutig seinen nackten Hintern in die Kamera hält. Insgesamt gibt es in dem vierten Staffelchen mit seinen sechs Folgen viel Schatten und so wenig Licht, dass man es bequem unter einen Scheffel stellen könnte. Wer mag, kann sich bis auf weiteres in der Mediathek davon überzeugen; oder auch nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Interessant, was Sie da sagten, Erling Haaland (Manchester City)!

»Die besten Spieler sind die besten in den einfachsten Dingen. Mit der rechten Hand berühren und mit der linken passen. Das ist das Wichtigste. Pep sagt das immer wieder zu mir.«

Mit welcher Hand man dann das Tor erzielt, ist egal, meint im Gedenken an Diego Maradona Titanic

 Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Ho ho ho, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro!

Mitten im Streit um das wohl von Ihnen manipulierte Wahlergebnis bei der Präsidentschaftswahl haben Sie wieder einmal tief in die politische Trickkiste gegriffen: »Es ist September, und es riecht schon nach Weihnachten«, frohlockten Sie in einer Fernsehansprache. »Als Dank an das kämpferische Volk werde ich daher Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen.«

Wir haben sogar eine noch bessere Idee, Maduro: Könnten Sie nicht per Dekret Weihnachten von Anfang Oktober bis Ende Dezember stattfinden lassen? Im Gegensatz zum Kanzler in seinem kapitalistischen Schweinesystem können Sie doch sicher bestimmen, dass die planwirtschaftliche Lebkuchen-Vanillekipferl-Produktion schon im Juni anläuft. So können Sie sich nicht nur ein paar Tage, sondern ganze drei Monate Ruhe zum Fest schenken!

Rät Titanic

 Priwjet, Roderich Kiesewetter!

Priwjet, Roderich Kiesewetter!

»Die AfD ist nicht besser oder schlechter als das BSW. Beide sind Kinder derselben russischen Mutter«, sagten Sie der FAS.

Da haben wir aber einige Nachfragen: Wer sind denn die Väter? Hitler und Stalin? Oder doch in beiden Fällen Putin? Und wenn BSW und AfD dieselbe Mutter haben: Weshalb ist der Altersunterschied zwischen den beiden so groß? War die Schwangerschaft mit dem BSW etwa eine Risikoschwangerschaft? Und warum sollte es keine Qualitätsunterschiede zwischen den Parteien geben, nur weil sie die gleiche Mutter haben? Vielleicht hat Russland ja sogar ein Lieblingskind? Können Sie da bitte noch mal recherchieren und dann auf uns zurückkommen?

Fragt die Mutter der Satire Titanic

 Und Du, »Braunschweiger Zeitung«,

hast uns mit Deiner Überschrift »Diese beiden tödlichen Keime bekämpfen Forscher aus Braunschweig« einen kleinen Schrecken eingejagt. Viel lieber wäre uns in eh schon schweren Zeiten die Headline »Forscher aus Braunschweig bekämpfen diese beiden tödlichen Keime« gewesen.

Bitte auf uns arme Seelen achten, wünscht sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Quo vadis, Fortschritt?

Unfassbar: Nach so vielen Jahren des Horrorfilms gruseln sich die Leute noch vor der Nosferatu-Spinne. Wann taucht in unseren Breiten endlich die Slasher- oder Zombie-Spinne auf?!

Mark-Stefan Tietze

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Zum Sterben hoffentlich zu dämlich

In der Wartezone der Arge in Fürth sitzen zwei Männer um die vierzig. Einer der beiden hält eine aufgeschlagene Tageszeitung so, dass der zweite mitlesen kann. Geduldig blättern sie gemeinsam bis zur Seite mit den Todesanzeigen. »Schau«, sagt der eine, »da ist einer zwei Mal gestorben.« – »Wie kommst du darauf?« – »Lies doch! Derselbe Name in zwei Anzeigen.« – »Tatsächlich! Zwei Mal gestorben. Wie er das wohl geschafft hat?« Eine längere Denkpause setzt ein. »Wahrscheinlich einer wie ich, der nichts auf Anhieb hinkriegt«, schlussfolgert der eine dann. »Ha, das kommt mir bekannt vor!« stimmt der zweite ein. »Meine erste Frau mit den Kindern abgehauen, Führerschein schon drei Mal gemacht. Also zwei Mal wegen Alkohol, und ich weiß gar nicht, wie oft ich schon hier nach einer neuen Arbeit angestanden bin.« – Seufzend: »Hoffentlich kriegen wir wenigstens das mit dem Sterben mal besser hin als der hier …«

Theobald Fuchs

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
15.10.2024 Tuttlingen, Stadthalle Hauck & Bauer und Thomas Gsella
16.10.2024 München, Volkstheater Moritz Hürtgen mit Max Kersting und Maria Muhar
16.10.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
16.10.2024 Frankfurt, Buchmesse TITANIC auf der Frankfurter Buchmesse