Humorkritik | Juni 2022
Juni 2022
»Wenn jemand fragt, wo hört Satire auf, würde ich sagen, das weiß ich nicht – aber ich weiß, wo sie aufhört, verstanden zu werden: direkt hier, am Zaun von meinem Nachbarn.«
Gerhard Polt (80)

Kleiner Mann – ganz tot
Würde ich den verstorbenen Comedian und Schauspieler Gilbert Gottfried lediglich als einen kleinen Mann mit einer großen Klappe charakterisieren, hätte ich den wortmächtigen und mutigen kleinen Mann mit der großen Klappe sträflich unterschlagen. Denn Gottfried, der seine Komiker-Karriere im Alter von fünfzehn startete, war nicht nur ein seltsamer Schreihals, der mit zusammengekniffenen Augen seine Zoten durchdringend laut in die Welt hinausplärrte, gesegnet mit dem Aussehen, dem Namen und den geballten Fäustchen einer menschgewordenen Comic-Figur; er war vor allem einer, der einen Witz bis zur völligen Zerstörung zelebrieren konnte, etwa bei der Darbietung von »The Aristocrats«, des berühmten »filthiest joke ever told«.
Geradezu beispielhaft ist seine Performance, betrachtet man auf Youtube seinen »Roast« des freundlich-sympathischen »Star-Trek«-Darstellers George Takei. Ohne jeden Umweg überschüttet der lachende Gottfried das Publikum und den »old faggot« Takei mit einer Lawine von »old faggot-jokes«, scheußlich dummen Schwulenwitzen, die sich in der Hauptsache darum drehen, was alles in männliche Ärsche gesteckt werden kann, und die immer wahnsinniger vorgetragen und desto hemmungsloser belacht werden, je gräßlicher und schematischer sie werden: »A faggot comes to the doctor…«, »Another faggot comes to the doctor…« Zur Halbzeit beginnt Gottfried dann, die zweifelhafte Logik der einzelnen Witze auszuleuchten, und bringt den Saal endgültig zum Durchdrehen, indem er jede Pointe so lang und breit erklärt, bis die jokes vollständig skelettiert herumliegen und nicht nur George Takei kaputtgelacht in den Seilen hängt.
Dass Gilbert Gottfried neben solchen Auftritten auch recht auffällige Film-Nebenrollen hatte und Disney-Figuren synchronisierte, sei der Merkwürdigkeit halber hinzugefügt. Jetzt ist er tot; seine »Art of Comedy« lebt im Internethimmel weiter.