Humorkritik | Juni 2020
Juni 2020
You have to know where the funny is, and if you know where the funny is, you know everything.
Sheila Heti
Überschätzt
Nur eine kleine Warnung für alle Jane-Austen-Verehrer, zu denen ich mich schon seit langem zähle: Wer sich die Verfilmung ihres letzten Romans »Sanditon« beim Sony Channel anschauen möchte, sollte sich von den ersten beiden Folgen nicht täuschen lassen. Die basieren tatsächlich auf Austens Romanfragment – was danach kommt, ist mehr oder weniger frei nachempfunden und nur insofern interessant, als es beweist, wie schwierig es ist, die leise Ironie dieser Autorin, die sich vor allem in der eleganten Dialogführung zeigt, auch nur annähernd durchzuhalten.
Selbst ein erfahrener Drehbuchautor wie Andrew Davies, der schon einige große Romane für Serien bearbeitet hat, schafft das nicht. Die Teile, für die er allein verantwortlich ist, wirken schlicht plumper, die Charaktere werden eindeutiger, die Situationen melodramatischer, die Dialoge verlieren Witz. Außerdem merkt man den Plots, die er aus Austens Setting entwickelt, deutlich an, dass sie ihre Themen aus heutiger Sicht behandeln und werten. Das ist anmaßend und würde mich sehr verärgern, nähme ich mir nicht Jane Austens Erkenntnis zu Herzen: »Egoismus sollte immer verziehen werden, denn es gibt keine Hoffnung auf Heilung.« Dass Egoismus meist mit einem beklagenswerten Hang zur Selbstüberschätzung einhergeht, scheint mir dagegen fast unverzeihlich.