Humorkritik | Juni 2020
Juni 2020
You have to know where the funny is, and if you know where the funny is, you know everything.
Sheila Heti
Bülent van Beethoven
Stille macht sich breit, seit TV-Formate wie »Die Anstalt«, »Extra 3«, die »Heute-Show« oder der ewig raunende Volkskabarettist Nuhr aus Isolationsgründen auf Studiopublikum verzichten müssen, und wenn diese unlustige Seuche auch sonst nichts gebracht haben mag, so doch zumindest die Erkenntnis, wie kläglich manche Fernsehgags verhallen, wenn ansteckende Viren das ansteckende Lachen im Saal verhindern. Auch die selbstironischen Akklamationsalternativen – Max Uthoff von der »Anstalt«, der eine Klatschtaste am Synthesizer bedient, Oliver Welke, der die applaudierenden Massen eines nordkoreanischen oder chinesischen Volkskongresses einblendet – nutzen sich ab, und mir jedenfalls ist, als hörte ich immer öfter ein einsames Zirpen im leeren Studio, Motto: Grille statt Stille.
Auch Live-Bühnenkünstler trifft der Publikumsverlust. So den »deutsch-türkischen Komiker Bülent Ceylan«, der sich, so lese ich, bei Distanz wahrenden »Auftritten im Autokino ein wenig an den Komponisten Ludwig van Beethoven erinnert« fühlt: »Er war in seinen letzten Lebensjahren ja taub und hörte die Musik nicht mehr. Genauso muss ich mir das Lachen und den Beifall vorstellen – die Leute sitzen ja im Auto und sind nicht zu hören.« Ich hingegen muss lachen bei der Vorstellung eines verzweifelt gegen die Stille ankaspernden Bülent Ceylan. Geister-Comedy, reduziert auf den nackten Text, ganz ohne Klatschzombies und Gegröle – es wäre dies ein Konzept, das mir fast aufklärerisch vorkommt und das man deshalb unbedingt beibehalten sollte. Aber wahrscheinlich spreche ich hier pro domo: als Zeitungsmann, der als Reaktion auf seine klugen Beiträge nicht einmal ein Knistern hören kann. (Stürmischer Applaus.)