Humorkritik | Juni 2020
Juni 2020
You have to know where the funny is, and if you know where the funny is, you know everything.
Sheila Heti
Quetschmäns Memoiren
In den frühen Neunzigerjahren kursierten in der linken Subkultur Musikkassetten, die sich durch Überspielen und Weitergabe erstaunlich schnell verbreiteten. Darauf zu hören war Quetschenpaua: Ein Mann namens Yok sang zum Schifferklavier teils wütende, teils aber auch komische Lieder über den autonomen Widerstand, garniert mit kleinen, skurrilen Zwischendurchgeschichten über Pinguine, Zwerghühner und Zauberkünstler. Wer war der legendäre »Quetschmän«, und was ist aus ihm geworden? Das erzählt er in seiner 2019 im Ventil Verlag erschienenen Autobiographie »Nichts bleibt«: »Ich wollte autonome Aktivitäten kulturell flankieren. Über diesen Weg konnte ich plötzlich auch meinen Humor mit einfließen lassen und das wurde nicht nur akzeptiert, sondern auch geschätzt und somit Bestandteil meiner Auftritte.« Es war etwas Neues und wurde in Infoläden und autonomen Jugendzentren rauf- und runtergespielt. Typische Zeile: »Pflasterstein flog allein in die deutsche Bank hinein. Kam zurück, Missgeschick, Scheibe war zu dick.« Erfolg gegenüber blieb Yok allerdings trotzdem skeptisch und verwahrte sich gegen jede Form von Korruption durch Vermarktung.
Sprachlich ist das Buch eher bescheiden, ich war überrascht, wie unkritisch Yok mitunter die Sprache derer benutzt, die er bekämpft. Doch das Buch verschaft interessante Einblicke in die Geschichte der autonomen Szene in Deutschland von den Achtzigerjahren bis heute, erklärt, warum (radikaler) Widerstand wichtig ist, und ist gespickt mit selbstkritischen, lustigen Anekdoten. Interessantes erfährt man auch über die Projekte, an denen Yok nach seiner Zeit als Quetschenpaua mitgewirkt hat: Bands wie Tod und Mordschlag und option weg oder graswurzelhafte Musik- und Theaterprojekte wie die Rotzfreche Asphaltkultur oder Revolte Springen. Wenn man selbst auf die eine oder andere Art dabei war oder sich einfach für die Geschichte, Zusammenhänge, (Hinter)Gründe autonomen Widerstands in Deutschland interessiert, dann lohnt es sich, Yoks Buch zu lesen.