Humorkritik | März 2007

März 2007

Polt, Polt, Polt

»Eine menschliche Sau« (Kein&Aber), die neue CD von Gerhard Polt, dem »zweifellos größten Komödianten seit Karl Valentin« (Junge Welt), beginnt mit einem »Ja«, an das sich eine sechssekündige Pause anschließt. Ich äußere mich seit Jahren regelmäßig ausführlich, begeistert und bewundernd zu Deutschlands gewaltigstem Bühnengenie, und obwohl ich Gefahr laufen mag, mich zu wiederholen, müßte ich in Anbetracht des Mitschnitts eines Auftritts im Gasthaus Weilachmühle in Thalhausen auch diesmal wieder ein ganzes Hutgeschäft leerkaufen, um Polts Artistik gebührend zu würdigen.

Ungebrochen adorabel auf allerhöchstem Niveau nämlich ist Polts Erzähltechnik der Abschweifung; ist sein Faible für die zerbröselnde Syntax und die durch Paraphrasen und Versprecher genährte Umständlichkeit, die einen am Vorgang des Verfertigens und Verdrehens der vermaledeiten Gedanken teilhaben läßt; ist seine erkenntniskritische Kraft, die ihn in sich schlingernde und zugleich gnadenlos tautologisch plausible Wort- und Begriffskomposita erfinden läßt, von der »inneren Inquietanz« über die »Evidenzerlebnisse« bis zu einem »Subjekt in Form eines Individuums«.

Daß sich in Polts Figuren Gemächlich- oder Gemütlichkeit und Gemeinheit, Komik und Katastrophe, Humanität und Horror verknoten, hat zuletzt der Rezensent der Jungen Welt richtig gesehen. So verzweifelt Polts Protagonisten nach Wegen suchen, auf denen sich die Welt erschließen ließe, ohne an ihr irre zu werden (man sei »dazu gezwungen, allerhand zu erleben«, klagt ein Denkmalpfleger im Dienste des »abendländischen Kulturstaates« Bayern), so lustig sind zumeist ihre Verrenkungen, mit denen sie sich auf die Schwersauereien des Alltagslebens einen Reim machen.

Nicht umsonst bevölkern auch die grandiose Revue »Offener Vollzug«, die Polt zusammen mit den Biermösl Blosn geschrieben hat und die unter der vorzüglichen Regie von Urs Widmer am Münchner Residenz-Theater noch bis August zur Aufführung gelangt, diverse Wahnsinnige, bemitleidenswert haltlos-zerschredderte Existenzen sowie Granatenschwachmaten vom Schlage des Papstes und des Herrn Stoiber, dessen segensreichem Wirken wir die Existenz der Reliquie der Weißwurstvorhaut von Wolfratshausen verdanken.

Und auf die Gefahr hin, Sie mit Bekanntem bekanntzumachen, möchte ich zum Schluß und zum dritten noch auf das Internet-Videoportal Youtube verweisen. Dort findet, wer nach »Gerhard Polt« sucht, eine Montage, in der Fernsehbilder von einer Hitlerrede mit Polts legendärem Leasingvertragsmonolog »Die Hölle« unterlegt sind – und zwar derart überzeugend lippensynchron, daß es mich vor Brüllen, hitlereskes Grauen hin oder her, gleich mehrfach vom Hocker gesemmelt hat.

 

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg