Inhalt der Printausgabe
August 2005
Humorkritik (Seite 6 von 9) |
MA2412 |
Eben schreibt mir Christian Jöricke: "Versuchte man jemandem zu erklären, was ›Wiener Schmäh‹ bedeutet, könnte man sehr verallgemeinernd sagen, daß es sich dabei um die eigentümlich humoristische, teils arglistig-böse, teils liebenswert-freundliche, lebensbejahende und doch melancholisch-morbide Mentalität vieler Wiener handelt. Einfacher und vor allem anschaulicher wäre es jedoch, auf die wunderbare Fernsehserie ›MA2412‹ zu verweisen, die mir von 2001 bis 2003 oft das Warten auf die Wiederholung des Aktuellen Sportstudios versüßte. Meist samstags und nach Mitternacht strahlte 3sat die billig produzierte und von zahlreichen Firmen, deren Produkte ganz unverhohlen gezeigt wurden, finanzierte, aber äußerst unterhaltsame österreichische Sitcom aus. Seit kurzem sind nun alle 34 Folgen auf DVD in einer Komplettbox (in einem Aktenordner mit Amtsblock und Amtskugelschreiber) erhältlich (www.hoanzl.at). Im Vordergrund von ›MA2412‹, dessen erste Staffel vor dem Fernsehstart im ORF Silvester 1998 bereits über 60 000 Mal auf Video verkauft worden war, steht der Umgang der beiden gegensätzlichen Beamten Mike Weber (Alfred Dorfer, bekannt aus ›Indien‹ mit Josef Hader) und Engelbert ›Ingenieur‹ Breitfuss (Roland Düringer) im ›Magistratsamt für Weihnachtsdekoration‹. Beide frönen dem Müßiggang - der schlagfertige Vorstadtcasanova und Vokuhilaträger Weber mit Automagazinen und Alkohol, der kleinbürgerliche, cholerische Toupetbesitzer Breitfuss mit Modellbau und Mohrenköpfen - und versuchen, dem anderen aus lauter Langeweile das Leben so unerträglich wie möglich zu machen. Antragsteller werden grundsätzlich erst einmal zurecht- und dann abgewiesen und allenfalls gegen Bestechung (unfreundlich) bedient. Zur Belegschaft gehört außerdem die geile, huhnhirnige, ebenfalls unfähige Sekretärin Silvia Knackal (Monika Weinzettl), die nicht mal zum Kaffee kochen taugt (Knackal: ›Wer will aan Kaffee?‹ Weber: ›I.‹ Bleifuss: ›I ned.‹ Knackal: ›Ja, was jetzt?‹). Außerdem erfährt der Zuschauer, wo und womit der Weihnachtsmann (Karl Ferdinand Kratz) in der Nebensaison beschäftigt ist (im MA2412 Büros säubern, Auto von Herrn Weber waschen). Die Nebenrollen sind entweder mit herzhaften Laienschauspielern oder Prominenten (Ottfried Fischer, Andreas Herzog) besetzt. Dorfer und Düringer füllen ihre Rollen jedoch derart gut aus, daß man nicht nur darüber, sondern sowohl über die manchmal hanebüchenen Storys, die von den beiden Kabarettisten und Harald Sicheritz (auch Regie) stammen, als auch den übertriebenen Einsatz von Runnings Gags hinwegsehen kann. Die Extras auf den DVDs sind bis auf ein paar Interviews mit den Hauptdarstellern völlig belanglos. Selbst das ›Spezial‹ über das formvollendete Flitscherl Knackal ist fad, da es wie die ›Ausschnitte der bisherigen Folgen‹ anscheinend willkürlich zusammengeschnitten wurde. Nichtsdestoweniger weiß man spätestens nach 880 Minuten ›MA2412‹ auch in Deutschland, der ›Sahelzone des Humors‹ (Weber), was ›Wiener Schmäh‹ ist."
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