Inhalt der Printausgabe
November 2001
Wir sind ein New Yorker oder: Solidarität lebt vom MItmachen (Seite 2 von 7) |
Ankommen, aufbauen und loslegen sind dann praktisch eins. Schon verteilt TITANIC-Lektorin Kristin Eilert sog. "Weltsicherheitsnadeln" zum Anstecken und lotst die ersten Passanten mit dem Charme echter moralischer Entrüstung vor die Fototapete, wo sie hoffnungsfroh dreinschauen und ihre Solidarität von Militärfotograf Hintner dokumentieren lassen können: herzwärmend gleich zu Anfang die Gruppe Erstkläßler, die das Kanzlerwort von der "uneingeschränkten Solidarität" mit kindlich unbefangener Ausdrucksfreude lebendig werden läßt. Auch wer pantomimisch weniger begabt ist, darf sich ein Schild aussuchen und vor die Brust halten, für Frankfurts ausländische Gäste übernehmen wir gern die Auswahl ("Hauptsache, man spricht mal drüber", "Super FC Bayern"); Fotodokumente tiefempfundener Mitmenschlichkeit, die anschließend durchs Internet (www.titanic-magazin.de) hindurch mit schönen Grüßen bis nach New York spediert werden sollen, damit Uncle Sam bzw. George sich ein Bild machen kann von der freien Welt, deren nicht nur geistiger Führer er ist. In George we trust!
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Redaktions-Diskothekarin Anna Glockenhell, in Cheerleader-Tracht und mit ihrem strahlendsten All American Girl-Lächeln, fällt mit größtmöglicher Rücksichtslosigkeit vorzugsweise japanische Touristen an, und auch wir weniger attraktiven männlichen Betroffenheitsdarsteller nehmen unsere Sache durchaus ernst und bitten inständig um einen Schluck aus der Solidaritätspulle. Aber die kalte Bankenstadt Frankfurt scheint von Abstinenzlern voll zu sein: "Guten Tag! Wollen Sie sich nicht solidarisch mit Amerika zeigen und ein aufmunterndes Unterstützungsfoto machen lassen?" - "Lieber nicht!" muffelt ein halbkahler Familienvater mit seinem denkbar ungezogenen Anhang und verschwindet rasch zurück in seinen sozialen Brennpunkt, der wohl bald von F16-Kampfjets "saniert" werden wird. "Wir sind nur zu Besuch in Frankfurt, da ist die Zeit zu kurz!" keckern zwei alte Schachteln, die wohl vergessen haben, daß ihnen der Ami nach dem Krieg nicht nur einmal das Korsett gerichtet hat, und ein Italienerpaar erklärt lapidar, es sei viel eher solidarisch "mit Hiroshima und Nagasaki". Der Italiener! Er kann halt nicht anders. |
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