Inhalt der Printausgabe
November 2001
Wir sind ein New Yorker oder: Solidarität lebt vom MItmachen (Seite 6 von 7) |
"Die Gefahr war schon immer" Wer unseren Fragebogen mit 30 kniffligen Fragen ausfüllen wollte, mußte Zeit mitbringen. Daß davon reichlich vorhanden ist, belegte gleich die erste Frage: Fast 80 Prozent der Befragten waren auch zum Zeitpunkt der Anschläge nicht bei irgendeiner ungeliebten Arbeit, sondern, wie es in Deutschland so üblich ist, "zu Hause" bzw. "in der City unterwegs". Trotz des Schocks blieb das Denkvermögen der Befragten intakt. "Was haben Sie gedacht?" - Das Spektrum der Antworten darauf reicht von erkenntnistheoretischer Skepsis ("Das ist nicht wahr") über luzide Kritik an der Mediengesellschaft ("Das gibt es doch gar nicht") bis zum leidenschaftlichen Appell an die Politik ("Das darf doch nicht wahr sein!"). Entsprechend differenziert wird die eigene Betroffenheit auf einer Skala von 100 (= sehr betroffen) bis 0 (= scheißegal) eingeschätzt: Im Schnitt ergibt sich hier eine gesunde 82! Allerdings räumt nur die Hälfte der Befragten ein, sich seit dem 11. September unsicherer zu fühlen. Die andere Hälfte läßt sich nichts anmerken ("die Gefahr war schon immer"), spielt das Problem herunter ("bin wenig im Ausland, fliege sehr wenig") oder übt sich zynisch in Täterschutz ("fühle mich unsicherer, weil die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden sind"). Ähnlich fahrlässig werden auch notwendige Sofortmaßnahmen beurteilt: Niemand will "It's Raining Men" aus dem Radioprogramm verbannen; und nur die sensiblere Hälfte unserer Mitbürger weiß offenbar, daß sich Selbstmordattentäter regelmäßig mit "Kill, Kill All, Make All Dead" in Stimmung bringen! Merkwürdig zögerlich wird auch die Schuldfrage behandelt. Zwar sehen über zwei Drittel in Osama bin Laden den Drahtzieher der Anschläge, eine Mitschuld der Amerikaner wollen aber immerhin 40 Prozent nicht ausschließen. Dieser latent antiamerikanischen Stimmung entspricht, daß jeweils 30 Prozent die moralische Verantwortung bei "FBI" und "CIA" suchen, und nur 19 Prozent bei der "Kirche". |
Doch es kommt noch schlimmer: Anläßlich der Frage, wofür Amerika besonders geschätzt wird, bekennt sich lediglich die Hälfte der Befragten uneingeschränkt zur dort herrschenden "freien sozialen Marktwirtschaft". Gerade mal 15 Prozent gelten "Donuts, Hamburger, Freiheitsstatue" etwas, Unverbindliches wie "die Menschen" oder "Lebenlust, Toleranz" wurde hinzugefügt - aber Coca-Cola und das World Trade Center werden nur von 0 Prozent geschätzt! Es wundere sich also keiner, wenn Coca-Cola demnächst von der Bildfläche verschwindet! Woher dennoch über 70 Prozent der Befragten ihre Überzeugung hernehmen, daß sich die "westliche Kulturzivilisation" im Kampf gegen den Islam durchsetzen wird, bleibt angesichts solcher Alptraumergebnisse schleierhaft. Zwar wissen fast zwei Drittel, daß uns die Moslems wegen genau dieser Zivilisation ("Straßen, Autos, McDonald's, Hochhäuser") hassen. Für gerechtfertigte Ressentiments, zu denen der Fragebogen ausdrücklich ermunterte ("Ich habe nichts gegen Araber, aber..."), sind sie sich aber offenkundig zu fein! Knapp 30 Prozent ignorieren den Satz, die anderen drücken sich mit windelweichen Toleranzbekundungen um die korrekte Fortführung, die nur von einer Oma gefunden wird: "...gegen Kanaken. Sitzen hier, während andere arbeiten müssen. Meine Meinung über Kanaken: Die ganze Bande raus!" Diffus bleiben auch die abgefragten Begründungen zur Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Islam. Nur ein Viertel räumt der älteren, seriöseren Religion überhaupt noch einen Vorrang ein - und dann aus den falschen Gründen ("weniger fanatisch")! Daß das die große Schwäche unserer Kultur sein könnte, die ihre Wehrhaftigkeit dauerhaft zersetzt, kommt offenbar niemandem in den Sinn! Entsprechend wollen auch nur 25 Prozent aus Respekt vor den Opfern das Schulgebet wieder einführen. Darüber hinausgehende Vorschläge, Moslems mit Geld und guten Worten (6 %) bzw. Gewalt (4 %) zu missionieren, scheitern an der undurchdringlichen Front der Toleranzler, die sich gegen Form der Bekehrung aussprechen (90 %). Während die meisten durchaus persönliche Konsequenzen ziehen (nur etwa ein Viertel wagt sich in Hochhäusern noch bis ganz oben), sollen politische Konsequenzen ausbleiben. 28 Prozent billigen dem Rechtsstaat bei der Terrorabwehr immerhin zu, Parteien (z.B. NPD, PDS) zu verbieten. Schon ein Flugverbot an öffentlichen Gebäuden findet lediglich bei einem Fünftel Zustimmung, Pressezensur wie Todesstrafe können sich insgesamt nur noch 12 Prozent der Befragten vorstellen! |
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