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Die Tricks der Biolebensmittel-Großindustrie

Der Trend zu Bio, Öko und Fairtrade ist ungebrochen. Längst gibt es Bio-Eier bei Aldi, ungefähr-fair gehandelte Nestlè-Schokolade und veganen Saumagen von der Rügenwälder Knochenmühle. Doch wie kriegen diese Großkonzerne es hin, Bioprodukte so günstig in so großer Menge bei gleichschlecht bleibender Qualität zu produzieren? Der Lebensmittelchemiker Dr. rer. nat. Natter packt aus:
Gemüse
Hier arbeiten wir mit modernster Crispr-Cas-Technik. Das Gemüse muss ja runzelig und krumm sein, damit es nach bio aussieht. Solche Sorten gibt es gar nicht mehr. Also haben wir mit der Gen-Schere ausgewählte Gene von Alexander Gauland ausgeschnitten und in unser Saatgut eingefügt. Die braunen Stellen kommen dann von ganz allein.
Kakaopulver
Dem Kakao-Pulver, genau wie der Gemüsebrühe und ähnlichen Produkten, fügen wir die Agglutinine E283 und E937 zu. Würde sich das Pulver in der Flüssigkeit direkt auflösen, würde der Kunde glauben, es sei "Chemie". So aber entsteht ein hartnäckiger Klumpen, in dem man stundenlang mit dem Löffel herumstochern kann – so wie es sich unsere Kunden wünschen.
Vegane Wiener Würstchen
Ach wissen Sie, in den Schlachthöfen bleibt am Ende des Tages so viel in den Ecken hängen, das man nun beim besten Willen nicht mehr als "Fleisch" bezeichnen kann …
Fair-Trade-Kaffee
Da muss man erfinderisch werden. Um so ein begehrtes Siegel zu erhalten, bleibt einem nichts übrig, als den kolumbianischen Bauern mehr Geld zu bezahlen. Allerdings kann man dann auch ein Vielfaches vom Kunden verlangen. Und das so gewonnene Geld investieren wir in Handfeuerwaffen, die dann von der örtlichen Drogenmafia verwendet werden, um das Geld wieder abzupressen. Eine Win-Win-Situation (zweimal Win für uns).
Sahne
Die Sahne wird natürlich im Werk homogenisiert, sonst könnten wir die ja gar nicht abfüllen. Für unsere Bio-Kunden machen wir aber etwas ganz anderes: Wir kippen einfach einen Schluck Milch in den Becher und dann nehmen wir einen Esslöffel Butter, den wir unter den Deckel schmieren. Das kann man dann zuhause selbst vermengen und es wirkt herrlich "natürlich".
Bio-Eier
Not macht erfinderisch. Da man die männlichen Küken nicht mehr schreddern darf, verkaufen wir sie an Großstadt-Hipster, die sich jetzt alle in ihren Zwei-Quadratmeter-Hinterhöfen Hühner halten wollen. Dass es Hähne sind, merken die gar nicht und denken, die Eier klaut der türkische Nachbar.
Fleisch
Das Fleisch soll von glücklichen Tieren stammen. Renommierte Psychologen und Glücksforscher, die schon mehrere Ratgeber geschrieben haben, entwickelten für uns daher einen Fragebogen, der das Tierwohl objektiv misst. Um die Kommunikation mit den Tieren möglichst artgerecht zu gestalten, sind die Fragen einfach gehalten. Antwortet das Tier beispielsweise auf die Frage "Bist du unglücklich?" nicht mit "Ja", wird dies als Verneinung gewertet.
Bananen
Da nehmen wir einfach die grünen, geraden Chiquita-Bananen und lassen sie von Osteuropäern kurz vor dem Verkauf noch mal krumm biegen. Bei der Gelegenheit kriegen sie gleich ein paar Falten (die Bananen!) und den nötigen "Charakter".
Hafermilch
Ja, und Cashew-Milch und Soja-Milch und was nicht alles. Wir malen einfach alles klein, was wir finden können, stellen es hin und lassen es "fermentieren", also verfaulen. Das meiste geht direkt in die Produktion von Vitam R, aber manchmal entsteht zu aller Überraschung wirklich so eine Art milchige Brühe, die wir dann zum Beispiel "Barrista Edition" oder so nennen.
Bio-Honig
Puh, woher wollen Sie wissen, wohin die kleinen Brummer fliegen, um ihren Sirup zu tanken? Wenn sie mich fragen, kann es auch sein, dass die geschmolzenes Calippo-Eis vom Asphalt auflutschen. Aber der Honig wird von Tieren gemacht, also ist es ja wohl "bio".
Naturkosmetik
Kosmetik ohne Tierversuche? Kein Problem. Alle Inhaltsstoffe sind ja seit Jahrzehnten bekannt und getestet. Im Prinzip gibt es nur zwei Kosmetik-Produkte: Seife und Fettcreme sowie zwei Zusatzstoffe: Farbe und Parfüm. In den zehntausend Fläschchen im Drogeriemarkt sind immer diese vier Sachen drin, bloß in unterschiedlicher Kombination und mit anderer Verpackung. Und wenn es unbedingt "Bio" sein soll, kippt man halt noch etwas Gemüse rein.
Robert von Cube