Humorkritik | Dezember 2017

Dezember 2017

Wer Böses gibt für Gutes aus,
Dem kommt das Böse
nicht aus dem Haus;
Wer lacht, damit ein andrer weint,
Den trifft das gleiche, eh ers meint.
Sebastian Brant

Halbe Packung

Mit »Madame« kommt eine in Paris angesiedelte und als »bissige Komödie« angekündigte Aschenputtelgeschichte in die Kinos. Der schlichte Plot: Die amerikanische High-Society-Lady Anne (Toni Collette) richtet eine Dinnerparty aus, bei der nach der überraschenden Ankunft des nicht eingeladenen Stiefsohns dreizehn Stühle am Tisch stehen, was Annes Pechzahl ist – weshalb sie kurzfristig einen vierzehnten Gast benötigt. Den findet sie in dem etwa fünfzigjährigen Hausmädchen Marie, welches hübsch gemacht und mit an den Tisch gesetzt wird, wo es bald einen schmutzigen Witz erzählt und sich auch sonst vergleichsweise sonderbar verhält. Das macht Marie angesichts der übrigen Schnarchgäste zur Sympathieträgerin; folgerichtig verliebt sich einer der eingeladenen Snobs in sie, hält sie allerdings für eine spanische Adlige. Der restliche Film zeigt den Fortgang der Affäre und die Versuche der Hausherrin Anne, die sich anbahnende Liebe zu torpedieren.

Es ist erstaunlich, wie wenig sich der Film für seine Protagonisten interessiert. Anne ist eine eindimensionale Schreckschraube, selbst die sonst bei bösen Stiefmüttern erfreuliche Durchtriebenheit geht ihr weitgehend ab; Harvey Keitel schlurft als ihr Gatte Bob schlaff und unmotiviert durch die Kulissen; der jugendliche Stiefsohn ist ein enervierender Trottel, und Maries Lover David (Michael Smiley) bleibt blaß wie ein Statist. Zwischen all diesem biederen Personal will keine komische Atmosphäre aufkommen, und als satirische Gesellschaftskritik funktioniert das Ganze auch nicht, weil »die Reichen« bloß als gutmütige bzw. zynische, jedenfalls weitgehend irrelevante Langeweiler präsentiert werden.

Auch die Pointen verbreiten mehr Tristesse als Freude. Marie erklärt dem Geliebten David einmal, zum Backen benötige man immer nur die halbe Packung Backpulver und wisse beim nächsten Backen nicht mehr, ob der Rest noch haltbar sei. Sie habe aber bisher noch in keinem Supermarkt die »halbe Packung Backpulver« gefunden. David hält das für »geistreich«. In einer anderen Szene antwortet er auf die Frage, ob er schon einmal ein Buch gelesen habe: »Ja, und ich habe es sogar ausgemalt.« Schließlich verkleidet sich Anne auf Anraten ihres Therapeuten als Hausmädchen und versucht, den armen, steinalten Harvey Keitel zu sexuellen Handlungen zu animieren. Zum Glück klingelt da sein Telefon, und außerdem beknutscht er ohnehin lieber seine etwa 100 Jahre jüngere Französischlehrerin.

Offenbar hat Regisseurin Amanda Sthers an dieser Stelle selbst die Nase vollgehabt von dem ganzen Krampf, denn sie beendet ihn, ohne die haltlosen Plotstränge zu einem sinnvollen Ende zu bringen: Marie-Darstellerin Rossy de Palma darf nach gut neunzig Minuten einfach nach Hause gehen. Ich folgte ihr erleichtert.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg