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Zum Tode Hellmuth Karaseks

Hellmuth Karasek ist tot: Mit dieser matten Pointe endet ein langes, umständlich zu erzählendes Leben. Begonnen hatte es bereits 1934. Damals wurde Karasek im tschechischen Brünn als zweite Geige geboren (hinter Marcel Reich-Ranicki, Polen). Nach kurzer Beratung entschieden sich seine Eltern, ihrem Sohn ein Pseudonym zu geben ("Daniel Doppelkinn"), das der kleine Hellmuth fortan gut aufbewahrte und in einem herzförmigen goldenen Anhänger um den dicken Hals trug. 1944 floh die Familie vor der Roten Armee nach Deutschland. Pech im Unglück: Der kleine Hellmuth fiel Stalin in die Hände. Er überlebte, indem er dem Sowjetherrscher jeden Abend so lange einen Witz erzählte, bis dieser eingeschlafen war. Karasek konnte die Pointe ("... sagt Klein Erna: eine armdicke Möhre, bitte!") bis zu Stalins Tod 1953 hinauszögern.

Danach: Freiheit, Frieden, BRD. Sein gewiefter Umgang mit Diktatoren und Willkürherrschern brachte Karasek bald zu Rudolf Augstein und zum Spiegel. Ein Karriereschritt, den Augstein zwei Jahrzehnte später bereuen sollte: Karasek veröffentlichte seinen anspielungsreichen, klug codierten Schlüsselroman "Das Magazin, in dem ich, Hellmuth Karasek, gearbeitet habe – Sie wissen schon, dieses rot umrandete (aus Hamburg)". Darin geißelte er den Boulevardjournalismus des Spiegel als Boulevardjournalismus und zeigte satirisch auf, welche triebhaften Totalpfeifen bei der Nachrichtengazette tätig gewesen waren (z.B. Hellmuth Karasek, Kulturchef). Damit aber ging seine Karriere erst richtig los: Kolumnen in sämtlichen Springermedien, Geldsackträger bei der "SKL-Millionen-Show", Klage wegen sexueller Nötigung. Schließlich wurde Karasek sogar Ohrenbläser von Reich-Ranicki im "Literarischen Quartett", einer Sendung, in der es darum ging, einer Frau namens Sigrid Löffler in möglichst blumigen Worten Frigidität und Altschachteligkeit vorzuwerfen.

In den letzten Jahren war es schrill um Karasek geblieben. Seine phantasievoll kombinierten Buchstaben wurden Bestseller, seine Themen waren zahlreich: Er schrieb über Autos, Frauen, Männer, Hunde, Libido, Billy Wilder, Nachmittagsschläfchen, Handys und Möbelhäuser. In "Süßer Jud Vogel" beschrieb er seine Napola-Vergangenheit, mit Eckart von Hirschhausen aß er mal eine Pizza. Karasek war berühmt dafür, seine Bücher erst nach Drucklegung an das Korrektorat zu übergeben; legendär sind die Verzweiflungsanfälle seines Lektors Hermann L. Gremliza. Als umstrittenster deutscher TV-Literat nach Reich-Ranicki war Karasek die Hauptfigur in Martin Walsers Roman "Leichte Knöchelverstauchung eines Kritikers".

Pünktlich zur Neuauflage des "Literarischen Quartetts" am 2. Oktober ist Hellmuth Karasek nun gestorben. Er wurde 81 Jahre alt und 94 Kilo schwer. Sein Werk wird ihn überleben (um ca. 14 Tage).

Kategorie: Allgemein



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Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg