Humorkritik | November 2023

November 2023

»Zwangsoptimismus tötet den Humor, welcher ja am elegantesten ist, wenn er Schwarz trägt.«
Guillaume Paoli

Exit

Der langjährige Kolumnist dieser Zeitschrift Heinz Strunk hat für Amazon eine sechsteilige Serie geschrieben. »Last Exit Schinkenstraße« erzählt in knapp zweieinhalb Stunden die Geschichte zweier arbeitslos gewordener Musiker – wer jetzt an Billy Wilders Meisterwerk »Some Like It Hot« denken muss, sollte das lieber lassen, denn damit hat Strunks Skript wenig zu tun. Strunk verzichtet auf Spannung ganz, ihm geht es hauptsächlich darum, seinen Helden möglichst viel Zeit und Raum für freischwebende Dialoge zu geben. Besonders die traurige Gestalt des Saxophonisten Peter, der als »Pierre Panade« auf Mallorca Karriere macht, darf fast ununterbrochen ihre Gedanken spielen lassen. Und da der Autor selbst diesen Part übernommen hat, wird das zum unterhaltsamsten Element der ganzen Sache. Ähnlich wie in seinen als Tagebucheintragungen getarnten »Titanic«-Beiträgen sind auch hier tiefsinnige und sinnlose, geistreiche und witzlose, originelle und banale Sätze und Ansätze kaum voneinander zu unterscheiden. Die Mühe der Qualitätsprüfung macht sich der Autor bewusst nicht, verlangt sie aber auch dem Zuschauer nicht ab. Es plätschert so dahin.

Die Logik der Handlung kümmert Strunk offensichtlich genauso wenig; dass sie zugleich vorhersehbar ist, wird nur durch einige Parodien auf Passagen, die in praktisch jeder Künstlerlegende vorkommen müssen, aufgelockert. Glaubwürdig ist daran allenfalls, dass die Urheber erfolgreicher Kunstprodukte am Ende meist leer ausgehen. Auf übertriebenen Realismus wird ansonsten zum Glück verzichtet; um Ekel zu erzeugen, ist diese Enklave Mallorcas, in der einst Jürgen Drews den König gab und heute ein gewisser Mickie Krause das Zepter schwingt, hier viel zu hell und sauber fotografiert. Dass die »Schinkenstraße« so melancholisch menschenleer wirkt, dürfte mit dem Budget zu tun haben.

Stilwille ist nirgends spürbar.

Und damit bin ich beim Schwachpunkt des Unternehmens: Regie im Sinne durchdachter Richtungsweisung findet nicht statt. Und das ist bedauerlich. Wenn schon Billy Wilder nicht mehr zur Verfügung stand: Aki Kaurismäki oder Wes Anderson hätten zumindest zur Orientierung getaugt, um aus »Last Exit Schinkenstraße« etwas zu machen, an das man sich so gern erinnern möchte wie etwa an Strunks liebevolle »Fraktus«-Mockumentary.

Und da Heinz Strunk deutsche Comedy derzeit so »schlimm«, ja »grauenhaft« und »scheiße« findet, hätte er auf die Umsetzung seines Materials ruhig ein wenig besser achten können.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.12.2023 Hamburg, Centralkomitee Hauck & Bauer
01.12.2023 Karben, Kulturscheune im Selzerbrunnenhof Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
02.12.2023 Itzehoe, Lauschbar Hauck & Bauer
03.12.2023 Kassel, Studiobühne im Staatstheater Kassel Ella Carina Werner