Humorkritik | März 2023
März 2023
»Der Boden, um meine Werke in meiner Denkweise zu schaffen, ist nur in Deutschland vorhanden. Die Deutschen sind noch am ehesten zur Selbstironie fähig und auch tolerant genug, meine Provokationen zu ertragen und zu verstehen.«
Peter Lenk

Sort of normal
Dass ich immer noch in der in Übersee vielgerühmten kanadischen Queer-Dramedy »Sort of« (Amazon, Sky, bislang zwei Staffeln) stecke und mich zum Weitergucken nicht recht entscheiden kann, liegt an ihrem Clou, der darin besteht, dass die Zentralfigur, die junge Torontoer Nanny und Thekenkraft Sabi, of color und nichtbinär, die einzige ist, die nicht aus der Schublade stammt. Der männliche Vorstand der Arbeitgeberfamilie ist der weiß-liberale Psychologe, der mit sich selbst und der Midlife-Affäre der Frau gut zu tun hat; die Tochter pubertiert, und der Sohn kriegt den Kopf nicht vom Computerspielzeug. Sabis queerer best friend 7ven ist das lifestylelinke Selbstverwirklichungsgebot, und Sabis Mutter kommt aus Pakistan, redet mit Apu-Akzent und steht Sabi gegen die konservative Familienidee bei. Dass Sabi und 7ven, weil Sabis Arbeitgeberin verunfallt und Sabi plötzlich sozusagen Kinder hat, nicht nach Berlin (!), dem »queersten Ort der Welt« emigrieren können, ist der Konflikt der ersten Staffel, und dessen banal heterosexuelle Metaphorik mag der (zweite) Witz und die Message des Arrangements sein, dem es, neben Identitäts- und latenten Klassenfragen, um Queerness als Nichtklischee und Normalität geht; aber die Kehrseite ist, dass mich außer der Hauptfigur, deren trockene, die Umstände desavouierende Ironie das Besondere als Allgemeines zurückspielt, niemand im Ernst interessiert.
Falls ich es nicht doch noch mal probiere.