Humorkritik | März 2023
März 2023
»Der Boden, um meine Werke in meiner Denkweise zu schaffen, ist nur in Deutschland vorhanden. Die Deutschen sind noch am ehesten zur Selbstironie fähig und auch tolerant genug, meine Provokationen zu ertragen und zu verstehen.«
Peter Lenk

»Abgehäutete Sardine!«
»Deglupta maena!« – »Senex recoctus!« – »Sterteia!« Wer mehr als das große Latinum hat, weiß Bescheid und übersetzt das aus dem Handgelenk: »Abgehäutete Sardine!« – »Aufgewärmter alter Knacker!« – »Schnarchliese!« Wer es nicht hat, liest einfach des Lateinlehrers und Geschichtsprofessors Karl-Wilhelm Weeber neues Büchlein »Schöner schimpfen auf Latein« (Reclam), in dem er auf 120 Seiten lustvoll vorführt und mit noch viel mehr lustigen Beispielen belegt, wie toll es die alten Römer trieben mit Injurien, Verfluchungen und Latrinenparolen, Wandschmierereien und nicht zuletzt »glandes«, also »Eicheln«. Das waren Bleigeschosse mit einem eingravierten Text. So wird zum Beispiel Octavian, der spätere Augustus, im Bürgerkrieg nach Cäsars Ermordung auf einer solchen länglichen Patrone vom Feind als »pathice« verhöhnt, i.e.: »schwule Sau«. Soldatenhumor klang damals anscheinend auch nicht anders als heute.
Da die Römer auch die angelsächsische Vorschrift »No jokes with names« nicht kannten, verpassten sie den besseren Herrschaften neben dem Vor- und dem Familiennamen seit jeher noch einen Spottnamen. Die feinen Leute aber waren stark genug, ihn aus- und sogar über Generationen beizubehalten. Dass (Marcus Tullius) Cicero »Kichererbse« bedeutet, weiß mancher vielleicht noch; dass der Dichter (Quintus Horatius) Flaccus »Schlappohr« heißt und der Cäsarmörder Marcus Iunius Brutus den Beinamen »Dummkopf« trug, erfährt man erst aus diesem feinen Buch.
Man erfährt dank ihm noch manches andere, das beweist, dass die Antike lebt. Nicht nur, dass schon damals jemand ein »stultissimus«, ein Vollidiot, oder ein »vaniloquus«, Dummschwätzer, sein und eine »verbereum caput«, eine »Fresse zum Reinschlagen«, haben konnte – sondern auch, dass Cunnilingus richtig »Fotzenlecker« heißt und der Podex, weil er von pedere, furzen, herkommt, in Wirklichkeit ein »Furzloch« ist.
Womit Hans Mentz für heute die Arbeit beendet und zur Couchpotato wird. Auch die gab es schon vor 2000 Jahren: als »pica pulvinaris«, Sofaelster.