Humorkritik | März 2023
März 2023
»Der Boden, um meine Werke in meiner Denkweise zu schaffen, ist nur in Deutschland vorhanden. Die Deutschen sind noch am ehesten zur Selbstironie fähig und auch tolerant genug, meine Provokationen zu ertragen und zu verstehen.«
Peter Lenk
Seniorpartner
Obwohl sich in der Unterhaltungsbranche so mancher prominente Junior tummelt, dürften den wenigsten von uns die Ahnen von Sammy Davis oder Cuba Gooding vertraut sein. Immerhin ein Senior kommt jetzt zu posthumen Würden, denn mit der Netflix-Doku »Sr.« setzt der Schauspieler Robert Downey jr. seinem 2021 verstorbenen Vater ein Denkmal. Die in betont künstlerisch wertvollem Schwarzweiß gefilmte Lebensbilanz des zusehends von Parkinson gezeichneten Greises gerät erwartbar sentimental und besonders in der zweiten Hälfte zu einem hart an der Grenze zur Selbstparodie segelnden Porträt des Filmstars als verlorener Sohn, der sich vor der Kamera derart kontemplativ gibt, dass noch jede Momentaufnahme zum Fashion-Statement taugt.
Umso mehr habe ich beim Zuschauen Downey d. Ä. ins Herz geschlossen. Der fiel als Autorenfilmer in den 1960er- und 1970er-Jahren mit billig produzierten Anarcho-Satiren auf und wird dafür noch heute von Independent-Regisseuren verehrt. Am besten haben mir in »Sr.« die vielen Einblicke in dieses Frühwerk gefallen, an dem die zur selben Zeit tätige Gruppe Arnold Hau ihre Freude gehabt hätte: Da findet ein Mann seine Bestimmung in der Ehe mit der eigenen Mutter, da landet Jesus mit dem Fallschirm im Wilden Westen, 18 Schauspieler (darunter der fünfjährige Sohn des Regisseurs) agieren als Hunde im städtischen Zwinger, und ein Zeitgenosse pinselt einfach nur stur Linien auf die Straße, denn: Irgendwo muss man ja mal ’ne Grenze ziehen.
Der Anblick des sterbenskranken Filmemachers, der sich mit dem Star-Filius um den Final Cut zankt, erinnert stellenweise an »The Five Obstructions« (2003), in dem Lars von Trier seinem ehemaligen Mentor Jørgen Leth filmische Hausaufgaben erteilt. Wenn Downey d. J. auf Geheiß des Alten hinter einem Baum hervorspringt und dabei Schubert-Lieder deklamiert, vergebe ich ihm sogar seine Auftritte als weltrettende Blechbüchse – und weine dem Senior ein paar Tränchen nach.