Humorkritik | Juli 2023
Juli 2023
»Es bringt nichts, die Weltlage mit Humor zu sehen.«
Joko Winterscheidt

Himmel hilf
»Enjoy the blue skies, my friends. Enjoy them while you can« – mit diesen Worten teasert T. C. Boyle in einem Video des Hanser-Verlags seinen neuen Roman »Blue Skies«. Denn obwohl Boyle sich selbst als »Environmentalist« bezeichnet, ist er doch Pessimist genug, der globalen Erwärmung ihren Witz abzuringen. Der resultiert hier daraus, dass die Geschichte ernst nimmt, was ein überhitzter Planet für seine Bewohner bedeutet, und zeigt, wie auch das Leben in der Katastrophe sich in Alltag verwandelt. Ein Witz für sich ist es darum, wenn das Buch von Kritik und Verlag als »prophetisch« angepriesen wird, findet sich darin doch, wenn auch räumlich verdichtet, lediglich wieder, was sich in der Realität längst zuträgt.
Eine Geschichte des Niedergangs wird also erzählt, glücklicherweise nicht niederschmetternd. Immer weniger Insekten finden sich in der Natur, dafür umso mehr auf den Tellern der Protagonisten. Eine Familie, deren einer Teil sich mit der Dürre Kaliforniens herumschlagen muss, während der andere in Florida von Flut und Schimmel heimgesucht wird, erfährt Unglück über Unglück; und ähnlich wie Boyles Held Cooper, ein ewig an seiner Doktorarbeit herumdokternder Insektenforscher, auf seine Kerbtiere blickt, blickt Boyle auf seine Charaktere: liebevoll und genau, dabei immer zwischen Überzeichnung und Realismus. Etwa auf den Milliardär, der kurz vor knapp noch einmal im Alleingang Chemikalien in die Atmosphäre schießt, um die Temperaturen ein wenig zu senken; jetzt, da nur noch Schadensbegrenzung möglich scheint. Dazu Coopers Mutter Ottilie: »Dass die Partikel die Streuung der elektromagnetischen Strahlung beeinflussten, so dass der Himmel eher weiß als blau erschien, war eine Nebenwirkung, mit der man leben konnte. Oder?« Ja, damit kann ich leben, wenn auch nur im Roman.